Unternehmensnachfolge mit digitalem Neuanfang verbinden
18. Dezember 2019, 11:47 Uhr |
Autor: Andreas Zipser / Redaktion: Sabine Narloch
Steht eine Unternehmensnachfolge an, eröffnet das oftmals neue Perspektiven, um Digitalisierungsvorhaben voranzutreiben. Erforderlich ist dabei ein gut geplantes Vorgehen, wie Andreas Zipser von Sage beschreibt.
Im deutschen Mittelstand wird es bis Ende 2020 etwa 227.000 Unternehmensnachfolgen geben. In Zeiten des digitalen Wandels müssen die neuen Firmenlenker vermehrt hinterfragen, wie zukunftsorientiert und wettbewerbsstark ihr Unternehmen aufgestellt ist. So gilt es beispielsweise herauszufinden, ob und wie sich die Herausforderungen der voranschreitenden Digitalisierung meistern lassen. Die gute Nachricht: Jede Unternehmensnachfolge ist zugleich ein Neuanfang, und damit auch eine gute Gelegenheit für eine digitale Bestandsaufnahme, bei der Abteilungen, Geschäftsmodelle und Prozesse auf ihre Effizienz geprüft werden. Idealerweise ergibt sich aus dieser Inventur eine Digitalisierungsinitiative, um Abläufe effizienter zu machen, Mitarbeiter zu unterstützen und Kosten zu sparen.
Digitalisierung ist mehr als ein Experiment Gerade junge Nachfolger verfügen häufig über neue Perspektiven, Lösungsansätze, Erfahrungen und Know-how, die Automatisierungsprojekte unterstützen können und eine schon länger fällige Modernisierung vereinfachen. Aber auch ein erfahrener und aufgeschlossener Senior Chef kann Modernisierungen anschieben – oder diese frühzeitig der designierten Nachfolge übertragen und im Hintergrund mit seiner umfassenden, über viele Jahre hinweg aufgebauten Expertise das Projekt mit Rat und Tat unterstützen. In jedem Fall sollte die Unternehmensführung – ob älter oder jünger – für ein Umfeld sorgen, in dem Digitalisierung kein Experiment, sondern eine strategische Kernkomponente für das Geschäft darstellt. Erforderlich ist deshalb ein geplantes Vorgehen.
Die folgenden drei Handlungsempfehlungen zeigen, worauf bei Digitalisierungsinitiativen im Zuge der Unternehmensnachfolge zu achten ist.
Digitale Fitness prüfen Am Beginn eines derartigen Projekts sollte eine Analyse zum digitalen Status Quo der eigenen Abteilungen, Geschäftsmodelle und Prozesse stehen. Nachfolger erhalten durch sie nicht nur einen profunden Überblick über das Unternehmen und mögliche Herausforderungen, sondern können auf diese Weise zugleich erste Ansätze für die digitale Transformation des Betriebs identifizieren. Dieses Wissen dient ihnen als Basis für das anschließende Vorgehen.
Wichtige Fragen, die es in diesem Zusammenhang zu klären gilt, sind beispielsweise: - Was wird bereits digital, beziehungsweise automatisiert umgesetzt? - Welche Arbeitsweisen und Abläufe müssten modernisiert werden? - Was lässt sich effizienter gestalten? - Welche Geschäftsmodelle können digitalisiert oder erweitert werden? - Wie werden Kundendaten genutzt? - Welche Systeme und Lösungen liegen vor, und können diese aktuelle und künftige Anforderungen des Unternehmens, seiner Kunden und des Marktes optimal erfüllen? - Wie ist es um IT-Sicherheit und Datenschutz bestellt?
Online-Tools wie der DigiCheck stehen bei einer derartigen Einschätzung des Digitalisierungsgrads im eigenen Unternehmen hilfreich zur Seite. Mit ihm lässt sich ermitteln, wo genau Handlungsbedarf herrscht und welche Projekte als erstes angegangen werden sollten. Sobald feststeht, was zu ändern ist, lassen sich im nächsten Schritt gezielt Maßnahmen einleiten, Technologien und Lösungen recherchieren, Mitarbeiter miteinbeziehen und in die weitere Planung gehen.
Alle Mitarbeiter miteinbeziehen, Datensilos abbauen Ein Digitalisierungsprojekt, beispielsweise die Einführung eines neuen ERP-Systems in der Cloud oder mobile CRM-Funktionen für den Mitarbeiter im Außendienst, kann nicht von oben herab vorgegeben oder alleine durch die IT-Abteilung realisiert werden. Alle betroffenen Mitarbeiter müssen miteinbezogen werden und sich beteiligen, damit ein derartiges Vorhaben Erfolg haben und sein ganzes Potenzial entfalten kann. Eine enge, abteilungsübergreifende Kooperation, verbunden mit einem gemeinsamen, unternehmensweiten Ansatz bei der digitalen Transformation des Betriebs eröffnet zudem die Chance, Datensilos abzubauen, indem bisher getrennt voneinander operierende Systeme in einer integrierten Gesamtlösungen zusammengeführt werden. Das bedeutet: Statt wie bisher Informationen von einer Insellösung auf die andere zu kopieren, entsteht ein zentrales System, das alle Daten smart in einer einheitlichen Datenbank zusammenführt.
Skillsets auf den Prüfstand stellen und Schulungen anbieten Digitaler Wandel ist vor allem aber auch ein Personal-Thema. Die digitale Effizienz funktioniert nur, wenn die Technik da ist – und die Belegschaft auch damit umgehen kann. Bestehende Mitarbeiter müssen oft geschult werden oder neue Werkzeuge selbst lernen. „Die Jobprofile verändern sich durch die Digitalisierung massiv. Zudem entstehen völlig neue Berufsbilder. Unternehmen sind deshalb gut beraten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter frühzeitig entsprechend aus- und weiterzubilden“, kommentiert Frank Karcher, Leiter Personal & Administration, bei Tata Consultancy Services (TCS). Das IT-Beratungshaus hat gemeinsam mit Bitkom Research 2018 die Trendstudie „Unterwegs zu digitalen Welten - Deutschland startet in die technologische Zukunft“ herausgegeben. Bestenfalls entwickelt sich auf diese Weise nach und nach eine Unternehmenskultur des kontinuierlichen Lernens, um Expertise und Wissensstand stets auf einem aktuellen Stand zu halten.
Eine Unternehmensnachfolge bietet insofern nicht nur wertvolle Impulse, sich bezüglich der im Unternehmen eingesetzten Technologie und IT-Infrastruktur neu aufzustellen, sondern auch das Skillset der Belegschaft neu zu bewerten und an die digitale Zukunft des Unternehmens anzupassen. Sollte es fachliche Lücken geben, die nicht durch interne Weiterbildungsmaßnahme geschlossen werden können, empfiehlt es sich, neue und erfahrene Mitarbeiter zu rekrutieren oder einen zusätzlichen Geschäftspartner mit ins Boot zu holen, der über das geforderte Know-how verfügt. Nach einer Umfrage der HypoVereinsbank ist fast jedes dritte Unternehmen bereits mit der Akquise geeigneter Informatiker, Programmierer und Wirtschaftsingenieure beschäftigt.
Zukunftsfit aufstellen, um wettbewerbsfähig zu bleiben Laut der Studie Same passion, different paths der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (pwc) ist eine durchdachte Digitalisierungsstrategie für 75 Prozent der befragten Unternehmensnachfolger erfolgsentscheidend. Aber nur sieben Prozent glauben, dass ihr Unternehmen diesbezüglich gut aufgestellt ist. Um das volle Optimierungspotenzial der Digitalisierung erschließen zu können, bietet die Nachfolge im Unternehmen Möglichkeiten, die es nun zu nutzen gilt. Ein neuer, jüngerer Kopf an der Spitze eines Betriebs passt damit perfekt zur digitalen Transformation, da frische Ideen und neue strategische Ansätze das Potential haben, dass sich Unternehmen vor diesem Hintergrund digital in weiten Teilen neu erfinden können. Mit einem einmaligen und isolierten Digitalisierungsprojekt ist es dabei aber nicht getan. Unternehmen sollten ihre Kultur und Abläufe regelmäßig überprüfen und weiterentwickeln.
Andreas Zipser ist Managing Director Central Europe bei Sage