"Wer nach oben will, muss Einsatz zeigen Tag und Nacht" - mit diesem Statement wunderte sich Hartmut Mehdorn in SPON über die Diskussion um Worklife-Balance. Der ehemalige Bahnchef, erfährt der Leser, joggt außerdem jeden Morgen "mindestens zehn Kilometer", das Handy immer griffbereit, wie ein Arzt in Rufbereitschaft.
Was als Ausgleich zum Job angegeben wird, ist gleichzeitig auch Härte gegen sich selbst, und das in der Freizeit. Ist es Zufall, dass so viele Führungskräfte Marathon laufen?
Auch in der Unternehmensberatung und im Investmentbanking ist Vielarbeit ein Thema. Der Trend geht bis hin zur freiwilligen Nachtschicht. "All nighter" und Arbeitszeiten von mehr als 100 Stunden pro Woche sind in der angelsächsischen Finanzbranche ein Problem. Der Grund: Gerade junge Berufseinsteiger versuchen, sich durch die totale Hingabe zum Arbeitgeber für ein weiteres Engagement zu empfehlen.
Gesund ist das nicht: So ermahnte die amerikanische Investmentbank Goldman Sachs ihre Praktikanten kürzlich, nicht länger als 17 Stunden am Tag zu arbeiten, um Mitternacht nach Hause zu gehen und nicht vor sieben Uhr morgens zurückzukehren. Freitagabend und Sonntagvormittag solle man das Büro ebenfalls nicht betreten.
Doch ist eine derartige Disziplin nicht automatisch gleichbedeutend mit arbeitssüchtig, darauf legt Prof. Rademacher Wert: "Selbstausbeutung kann instrumentell bedingt sein, um Karriereziele zu erreichen, und ist damit extrinsisch motiviert, wobei die Arbeitssucht keinem bestimmten Ziel dient und intrinsisch motiviert ist und die Betroffenen auch dann exzessiv arbeiten, wenn sie dadurch karrieremäßig nicht weiterkommen. Entsprechend müssen Vorgesetzte anders damit umgehen."