Der IoT- und Smart-Home-Markt kommt nur langsam vom Fleck. Zwar nimmt die Vernetzung der Produkte zu, aber nur innerhalb der herstellerspezifischen Ökosysteme. Gideon hat diesem Technikflickenteppich und "schrecklichen Nutzererfahrungen" mit einer eigenen Cloud-Plattform den Kampf angesagt.
„Riesige Chancen“: In regelmäßigen Abständen überbieten sich die Prognosen bezüglich des Erfolgspotenzials des Smart Homes, der zunehmenden Vernetzung der Eigenheiminfrastruktur. Lag der Umsatz der Branche mit entsprechenden Produkten 2017 hierzulande noch bei 1,3 Milliarden Euro, soll er sich laut dem Branchenverband Eco und den Marktforschern von Arthur D. Little bis 2022 auf 4,3 Milliarden Euro mehr als verdreifachen. Die größte Nachfrage entfalle dabei auf Technologien für Energiemanagement, Licht- und Fenstersteuerung sowie den Bereich „Sicherheit und Zugangskontrolle“. Noch lahmt der Hoffnungsträger vieler Branchen aber, wird von unerwarteter Seite ausgebremst: von den Herstellern selbst. Aktuell kämpfen viele Anbieter um die Vorherrschaft in diesem ungesättigten Markt, wollen ihre Plattformen als den neuen Standard etablieren, um andere Unternehmen und Nutzer an das eigene Ökosystem zu binden. Die Folge: Fragmentierung. Trotz einer zunehmenden Zahl an Plattform-Anbietern wie der Telekom, RWE oder BSH, aber auch Amazon und Google, die verschiedenste Hersteller in einem System zusammenbringen, zeichnet sich das erhältliche Sortiment durch unzählige Insellösungen aus, die nur in den wenigstens Fällen tatsächlich über die Summe ihrer Teile hinausreichen.
Offene Systeme gefragt
Was die Branche also braucht, sind ein übergreifendes Konzept und offene Standards: „Das Ziel sollte es demnach sein, mit offenen Systemen zu arbeiten und anderen Marktteilnehmern Zugang zum eigenen Produkt zu bieten, damit neue vernetzte Services entstehen können“, bekräftigt Lars Riegel von Arthur D. Little. Fraglich ist aber, ob die großen Marktteilnehmer die Gefahr eingehen, das Feld im schlimmsten Fall doch einem Wettbewerber zu überlassen. Ein Zögern, das jetzt das junge Londoner Start-up Gideon für sich nutzen will – mit bisher beachtlichem Erfolg. Das 2015 gegründete Unternehmen konnte verschiedene Investoren überzeugen, hat kürzlich den DID-Award von Telefónica gewonnen und arbeitet mit Microsoft sowie den Telefónica-Töchtern Wayra und Next zusammen, um die eigens entwickelte Smart-Home-App voranzubringen. Die Anwendung dient als unabhängige Steuerzentrale für aktuell über 300 vernetzte Geräte von mehr als 30 Herstellern wie Nest, Philips, Sonos oder Motorola. Zusätzlich will Gideon den Einsatz des Smart-Home-Ökosystems für den Anwender einfacher und effizienter gestalten, wie Michele Galli, CEO und Mitgründer von Gideon, im Interview mit funkschau erklärt. So soll die App die Möglichkeit bieten, Management-Szenarien für das Smart Home anzulegen oder Funktionen auf Basis Künstlicher Intelligenz zu nutzen, um den Energieverbrauch zu optimieren.
Mit dem Energieverbrauch hat die Idee „Gideon“ auch ihren Anfang genommen. Zusammen mit Kommilitone Nicola Russo wollte Galli im letzten Studienjahr Algorithmen entwickeln, die eine etwaige Verschwendung an Steckdose und Heizung minimieren sollten, mit eigens entworfenen Smart Devices als Sensoren. „Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass schon Hunderte von Unternehmen solche Geräte herstellten“, berichtet der Gideon-Chef. „Wir haben uns dann aber gewundert, warum Smart Home und Internet of Things trotz dieser hohen Zahl an Anbietern mit dem Durchbruch zu kämpfen hatten.“ Schuld waren laut den Gründern die stark ausgeprägte Fragmentierung des Marktes sowie die „schreckliche User Experience“ der Software, die mit den Geräten zur Verfügung gestellt wurde. „Um zehn Devices von zehn unterschiedlichen Marken zu steuern, benötigst du zehn verschiedene Apps mit einem entsetzlichen Nutzererlebnis und Geräte, die nicht untereinander kommunizieren können“, so Galli. Mit der eigenen App wolle Gideon diesen Missstand nun beseitigen.