Das Gigaset Fusion wagt den Spagat zwischen Business-Telefon und Consumer-orientierter Kommunikations- und Smart-Home-Zentrale. Mit Touchscreen und Anbindung an Cloud-Plattformen erfüllt es nicht zuletzt moderne Kommunikations-Ansprüche vor allem für KMU.
Das neue IP-Tischtelefon Gigaset Fusion ist bei Gigaset zwischen den Geschäftsfeldern Professional und Consumer angeordnet. Vertrieben wird es über die Professional-Kanäle, wobei es auch in manchen Endnutzer-orientierten Webshops zu finden ist. Die Zielgruppe des Geräts sind in erster Linie KMU, aber auch ambitionierte Privatnutzer – und letztlich alle, die sich in der Grauzone dazwischen befinden. Das zeigt sich beispielsweise an der Ausstattung des Geräts, das eine DECT-Basisstation für bis zu acht Mobilteile sowie Smart-Home-Unterstützung nach DECT-ULE-Standard umfasst. Letztere erlaubt es, bis zu 64 Smart-Home-Komponenten nach Gigasets „One X“-Standard anzumelden. Diese Option könnte komfortable Lichtsteuerung, Heizungsregelung und Alarmüberwachung auch ins eine oder andere Büro bringen. Wird sie genutzt, muss man allerdings auf die DECT-Leistungsabsenkung nach ECO-DECT-Standard verzichten.
Aktuell bietet Gigaset das Gerät ausschließlich als Bundle mit zwei Schnurlos-telefonen Gigaset SL800H Pro an. Das so zusammengestellte Paket „Fusion FX800W Pro“ hat eine unverbindliche Preisempfehlung von 500 Euro. Dahinter mag die Überlegung stecken, dass die Mobilteile für ein reibungsloses Zusammenspiel mit dem Haupt-gerät die Pro-Firmware haben sollten. Dennoch wäre für manche Interessenten sicherlich auch ein Angebot ohne Zwangskopplung mit schnurlosen Telefonen wünschenswert. Unsere Bewertung des Gigaset Fusion beschränkt sich im Übrigen auf das Tischtelefon und berücksichtigt die beigelegten Schnurlostelefone nicht.
Die Anbindung des Telefons ans Netz oder eine vorgeschaltete Telefonanlage erfolgt ausschließlich per SIP. Die Netzwerkverbindung kann dabei wahlweise per LAN (1 Gbit/s) oder WLAN (Wi-Fi 5/802.11ac, Dualband 2,4 + 5 GHz) erfolgen. Eine vorhandene Ethernet-Verbindung wird durch einen integrierten Mini-Switch weitergereicht, sodass sich zum Beispiel ein Arbeitsplatzrechner weiter hinter dem Fusion anschließen lässt. Die Stromversorgung des Gerätes kann auf Wunsch auch per Power over Ethernet (PoE) erfolgen. Bei der Ersteinrichtung hilft ein Assistent, die nötige SIP-Konfiguration für die wichtigsten Telefon-Provider, für eine Gigaset-Pro-PBX oder für Consumer-Router à la AVM Fritzbox vorzunehmen. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang das von Gigaset angebotene Support-Wiki, in dem sich Schritt-für-Schritt-Anleitungen und FAQs finden. Für den Anschluss eines Headsets bietet das Fusion eine USB-C-Buchse. Typische Leistungsmerkmale größerer Büroumgebungen wie Hotdesking fehlen allerdings.
Das Bedienkonzept des Geräts setzt auf den großen 5-Zoll-Touchscreen (Diagonale 12,7 cm), eine Fünf-Wege-Navigationstaste sowie eine Handvoll physischer Bedientasten. Letztere sind allerdings nur für die nötigsten Funktionen wie Freisprechen, Lautstärkeeinstellung, Mikrofon-Stummschaltung und Direktaufruf des Nachrichtenmenüs vorgesehen. Schnellwahltasten und Funktionstasten für weniger zentrale Funktionen gibt es nur virtuell auf dem Touchscreen. Der lässt sich auf drei per Wisch umschaltbaren Unter-Screens fast beliebig einrichten. Legt man es dabei auf maximale Bestückung mit Schnellwahl-Feldern an, passen bis zu 78 auf die drei Screens. In der Praxis lohnt es sich aber, auch Displayfläche für die Rufliste und Schnellzugriffe auf bestimmte Funktionen wie Rufumleitungen, Leitungsauswahl, Rufnummernunterdrückung und Ähnliches freizuhalten. Grundsätzlich lassen sich die drei Display-Screens umfangreich nach eigenem Bedarf individualisieren. Die Touchscreen-Steuerung reagiert dabei präzise und flüssig wie etwa auch von Smartphones gewohnt. Zusätzliche Hardware-Module für Schnellwahltasten sind beim Gigaset Fusion allerdings nicht vorgesehen.
Je nach Aufstellung des Telefons kann vor allem das Tippen auf der virtuellen Tastatur jedoch etwas unbequem beziehungsweise fehleranfällig sein – zumal es keine Anpassung des Aufstellwinkels gibt. Hilfreich wäre daher, wenn zum Beispiel bei der Suche nach Kontakten auch Eingaben über die Buchstabenbelegungen der Telefontastatur möglich wären.
Als weitere Bedien- und Konfigurationsebene stellt das Telefon auch eine Browser-Oberfläche zur Verfügung, die über seine interne IP-Adresse erreichbar ist. Hier lassen sich alle Einstellungen vornehmen, individuelle Klingeltöne und Wartemusik hochladen und beispielsweise auch der Kontaktspeicher verwalten. Letzterer kann auf Microsoft-365- und/oder Google-Kontakte zugreifen. Wer eine Adressdatenbank aus Outlook oder anderen Quellen ins Telefon übertragen will, muss das Verzeichnis für den Import entweder als XML-Datei bereitstellen oder den Weg über eine der unterstützten Clouds nehmen. Mit 1.000 lokalen Speicherplätzen ist das Fusion dafür auf jeden Fall gut gerüstet. Auch „Click to Dial“ ist über die Web-Oberfläche möglich.
Tabellarische Übersicht des Gigaset Fusion-Leistungsumfangs
Für die an der Basis angemeldeten Mobilteile lässt sich wählen, ob sie auf das zentrale Telefonbuch im Grundgerät beziehungsweise der Telefonanlage zugreifen sollen oder mit einem eigenen, lokalen Rufnummernverzeichnis arbeiten. Außerdem kann das System für jedes Mobilteil individuell verwalten, für welche Rufnummern es eingehende Anrufe annehmen soll, und mit welcher abgehenden Rufnummer es nach draußen telefoniert. Beim Rufmanagement erfüllt das Gerät zeitgemäße Anforderungen wie auf Wunsch Unterdrückung anonymer Anrufe, eine Sperrliste mit bis zu 1.000 Einträgen oder Gruppenanrufe. Auch zeitgesteuerte Rufumleitungen lassen sich einrichten.
Recht umfangreiche Möglichkeiten bietet auch der im Gerät integrierte Anrufbeantworter – wobei sich auch konfigurieren lässt, dass das Fusion einen in der PBX beziehungsweise im Router integrierten oder einen netzbasierten Rufsammler unterstützt. Wer auf die lokale Variante setzt, kann insgesamt fünf verschiedene Voiceboxen einrichten und ihnen unterschiedlichen Rufnummern zuordnen. Auch ein interaktives Sprachmenü („IVR“ – Interactive Voice Response) lässt sich damit realisieren. Benachrichtigungen über verpasste Anrufe und neue Nachrichten liefert die Gigaset-Elements-App auf dem Smartphone. Bislang ist allerdings noch nicht implementiert, dass der Nutzer darüber, per Fernabfrage oder per E-Mail-Weiterleitung auf Anrufbeantworter-Nachrichten zugreifen kann. Unnötig umständlich ist in der getesteten Firmware-Version 1.8.1 zudem die Aktivierung des Anrufbeantworters gelöst – sie will recht unintuitiv als Rufumleitung bei Nichtannahme eingerichtet werden. Außerdem gab es im Test einige Anlaufschwierigkeiten bei der Verbindung zwischen Telefon und Gigaset-Elements-App und gelegentliche Abbrüche laufender Telefonate. Die hier noch offenen Baustellen will der Anbieter mit baldigen Firmware-Updates beheben – die lassen sich zumindest bequem übers Telefonmenü oder über die Browser-Oberfläche durchführen.
Insgesamt bietet Gigaset mit dem Fusion eine flexible Telefonplattform, die KMU den Komfort moderner IP-Telefonie auch ohne Telefonanlage zur Verfügung stellt. Im Detail gibt es noch einige Gelegenheiten zur Verbesserung des Bedienkomforts sowie kleinere Instabilitäten, die künftige Firmware-Updates hoffentlich bald beheben werden. Auch die Zwangskopplung mit zwei Mobilteilen sollte der Hersteller nochmal überdenken. Davon abgesehen überzeugt das Gerät aber konzeptionell auf ganzer Linie und mit den genannten Einschränkungen auch in der Alltagspraxis.