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Bekenntnisse eines Bücherwurms oder die Frage "Was wäre wenn...?"

16. Oktober 2019, 10:18 Uhr |
Noch ist die europäische Stromversorgung stabil. Aber das könnte sich ändern.
© Shutterstock.com

"Blackout" von Marc Elsberg ist nicht neu. Das Thema, das er aufgreift, ist jedoch brisanter denn je. Eine Buchrezension der anderen Art.

Ich gestehe: Das Marc-Elsberg-Fieber hat mich gepackt. Von 36,5 auf 42 Grad in 800 Seiten. Das Lesen seines Technik-Thrillers „Blackout“ kommt einer Massenkarambolage auf der Autobahn gleich. Man weiß nicht: Soll man hin- oder wegschauen? Was mich so daran gefesselt hat, kann ich gar nicht so genau auf den Punkt bringen. Vielleicht ist es einfach die Kombination aus umgekehrtem Countdown, packender Nähe zu den Protagonisten und der stets wie ein Damoklesschwert über einem hängende Gewissheit, dass das Beschriebene jedem von uns, zu jeder Zeit passieren könnte.

Doch zuvor ein kurzer Abriss für diejenigen unter uns, die diesen Roman noch nicht gelesen haben: Der Technik-Thriller spielt in der näheren Zukunft. Über einen Zeitraum von drei  Wochen – Tag 0 bis 23 – werden die katastrophalen Auswirkungen eines Stromausfalls, der anfangs weite Teile Europas betrifft, erzählt. Dabei switcht Elsberg zwischen unterschiedlichen Perspektiven: vom italienischen Informatiker mit Hacker-Vergangenheit, der CNN-Reporterin, über den Europol-Ermittler und den Vorstand einer Software-Firma, den Kriminellen selbst bis zum Kraftwerkbetreiber. Der temporeiche Mix an Personen kombiniert mit dem umgekehrten Countdown baut eine ganz eigene Geschwindigkeit und Dringlichkeit auf, die den Roman zu dem macht, als was ihn Rezensionen oft titulieren: einem Pageturner. Erschienen ist „Blackout“ übrigens bereits 2012. Bis Januar 2013 wurden 130.000 Exemplare der deutschsprachigen Ausgabe verkauft und in zahlreiche Sprachen übersetzt – sehr erfolgreich lief der Technik-Thriller beispielsweise auch in Japan. 2014 sorgte Elsberg erneut für Aufsehen mit dem Roman „Zero“, der die Gefahren thematisiert, die sich aus der totalen Überwachung im Netz ergeben. In „Helix“ aus dem Jahr 2017 geht es um die Veränderung von genetischem Erbgut. „Gier“, sein aktuellstes Werk, beschäftigt sich mit wirtschaftlichen Konzepten, Erkenntnissen und Theorien und der Überlegung, ob umfassende Kooperationen zwischen Wirtschaftspartnern und Wirtschaftszweigen nicht zu breiterem Wohlstand führen könnten. Themen, die die Gesellschaft formen und in nicht allzu ferner Zukunft eine Rolle spielen könnten – und stets auch an die eigenen Urängste rühren. So das Muster des österreichischen Schriftstellers, könnte man meinen.

Nichts für Realitätsflüchtlinge
Doch zurück zu „Blackout“: Was den Roman hauptsächlich so fesselnd macht, ist seine Realitätsnähe. Das ist nicht nur reine Schwarzmalerei: Die Risiken eines umfänglichen Blackouts nehmen potenziell zu. Wir vernetzen uns immer mehr und auch immer besser, machen uns zunehmend abhängiger von Technik im Allgemeinen und elektrischer Energie im Speziellen. Smart Meter – im Buch das erste Einfallstor zum Auftakt der groß angelegten Cyber-Crime-Attacke – sind da nur ein Rädchen im großen Getriebe „intelligenter“ Geräte. Die mittlerweile zahlreichen Smart-Home-Anwendungen stellen noch einmal eine ganz andere Dimension dar.

Und auch die Ausmaße des Angriffs sind nicht so weit weg von der Realität, wie man es sich vielleicht gerne wünschen würde. Bestes Beispiel dafür ist der im Buch ebenfalls oft erwähnte Computerwurm Stuxnet. Das Schadprogramm, 2010 erstmals entdeckt, wurde speziell zum Angriff auf ein System zur Überwachung und Steuerung (SCADA-System) des Herstellers Siemens entwickelt, um in die Steuerung von Frequenzumrichtern ausgewählter Hersteller einzugreifen. IT-Sicherheitsspezialisten gehen rückblickend davon aus, dass Stuxnet gezielt zur Sabotage iranischer Atomanlagen programmiert wurde. Der Aufwand für den Wurm sei gewaltig und teuer gewesen – die Entwicklungskosten werden auf einen siebenstelligen Dollar-Betrag geschätzt –,  zudem richte er nur in bestimmten Anlagen Schaden an, andere würden offenbar ohne Schaden lediglich infiziert. Wegen des großen Programmieraufwandes wird von Fachleuten angenommen, dass der Wurm nicht von Privatpersonen, sondern vermutlich von einer staatlichen Organisation stammt. Auch die hohen Entwicklungskosten sprächen dafür. Eine beängstigende Vorstellung. Ebenso beängstigend der Gedanke, wie schnell sich die gesellschaftliche Ordnung in Folge einer solchen Katastrophe auflösen kann: Die Auswirkungen des Hurrikans „Katrina“ über den Südstaaten der USA im August 2005 verdeutlichen, dass ein Blackout durchaus in der Lage ist, eine westliche Zivilgesellschaft in bürgerkriegsähnliche Zustände katapultieren zu können.

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