Entsteht hier also tatsächlich ein Elfenbeinturm der Wissenschaft, in dem allein um der Forschung willen geforscht werden darf und soll? Komplett ohne Rücksichtnahme auf die doch recht handfesten Interessen von Drittmittelgebern aus der Wirtschaft, die dort Forschung eben nicht ohne Hintergedanken alimentieren, wo der Staat nur zaudernd Mittel bereitstellt.
Wäre dem so, man müsste Amazon als Corporation das Bundesverdienstkreuz umhängen für das verfassungsrechtlich hierzulande geltende und doch stets gefährdete Grundrecht der Forschungsfreiheit – unser Auge freilich einmal über die Steuertricks des US-Konzerns hinwegblicken lassen.
Bernhard Schölkopf, der Schirmherr des Tübinger Lablets und Direktor am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme, zeigt sich von Amazons Wissenschaftsengagement hierzulande begeistert, was im »Wir-Gefühl« von Forscher und um positives Image bemühten Konzerns per gemeinsamer Pressemeldung deutlich wird.
»Mit der Gründung des Lablets setzen wir auf einen Paradigmenwechsel. Anstatt darauf zu zielen, Produkte und Anwendungen schrittweise zu verbessern, ist die Forschung im Lablet neugiergetrieben. Die Freiheit der Forschung und vor allem die Freiheit zu wählen, was wissenschaftlich untersucht werden soll, sind nur die ersten beiden Schritte zu einer unvoreingenommenen, fairen und offenen KI«, lässt sich Schölkopf zitieren.
Amazon und er seien davon überzeugt, dass KI der Allgemeinheit dienen müsse. »Um das zu erreichen, müssen wir Vertrauen in KI schaffen, und das können wir nur erreichen, wenn wir KI so transparent und verständlich wie möglich machen«, sagt Institutsdirektor Schölkopf.
Tübingen soll übrigens nicht der einzige Standort bleiben, an dem Amazon KI-Grundlagenforschung finanziert und betreibt. Weitere Lablets sollen folgen, kündigt der US-Konzern an.