Offiziell begründen die Cloud-Anbieter die Preiserhöhungen vor allem mit gestiegenen Kosten, insbesondere den Entwicklungskosten sowie Betriebskosten für ihre Rechenzentren durch die Verteuerung im Energiesektor. Auch wenn das zunächst plausibel klingt, steht kundenseitig hier der Verdacht im Raum, dass damit in Teilen auch die eigene wirtschaftliche Situation kompensiert wird. Immerhin sind die Energiepreise längst wieder deutlich gefallen, was jedoch nicht in entsprechenden Preissenkungen mündete. Zudem wälzt Microsoft mit seinem aktuellen Vorstoß und der künftig regelmäßigen Überprüfung nun auch noch das unternehmerische Risiko für Währungsschwankungen auf die Kunden ab. Dabei ist auch hier höchst fraglich, inwieweit die aktuellen 11 Prozent damit tatsächlich gerechtfertigt sind. Das Handelsblatt bezeichnet dieses von vielen Betroffenen als „brutal“ empfundene Vorgehen mit sprichwörtlichen Elefanten im Porzellanladen. Immerhin kommt das alles für die betroffenen Unternehmen zur Unzeit, denn auch sie haben mit den gleichen wirtschaftlichen Verwerfungen zu kämpfen. Statt dem erhofften Effizienzgewinn durch die Cloud, der gerade in solchen Krisenzeiten helfen sollte, müssen einige damit nun den nächsten finanziellen Tiefschlag wegstecken.
Für die von den Preissteigerungen betroffenen Unternehmen, also fast alle, die dem Ruf in die Cloud gefolgt sind, gibt es damit nun nur noch die sprichwörtliche Wahl zwischen Pest und Cholera: Entweder sie schlucken die spontan verordneten Preiserhöhungen, oder sie müssen unter enormem Aufwand und weiteren Kosten wieder zurück auf Standalone-Versionen wechseln. Ein Weg, der laut den Beobachtungen zahlreicher Systemhäuser und Softwarehändler trotz der Hürdenimmer häufiger zu beobachten ist und der angesichts der aktuellen Entwicklungen künftig noch attraktiver werden könnte. Denn im Gegensatz zu den Cloud-Varianten sind bei den klassischen Angeboten bislang keine solchen Preissprünge zu verzeichnen. Zu groß ist hier die Konkurrenz, während die Verschränkungen besser von den Anwendern gemäß ihren Bedürfnissen kontrolliert werden können. „Die aktuelle Situation ist für Unternehmen gleichermaßen komplex wie herausfordernd. Wer bereits auf Abonnements setzt, sollte nachrechnen“, empfiehlt deshalb Andreas E. Thyen, Präsident des Verwaltungsrats des Gebrauchtsoftwarehändlers LizenzDirekt AG. Auch er berichtet von einer wachsenden Zahl von Kunden, die zumindest in Teilbereichen wie bei Office-Software wieder auf Lizenzen im Eigenbesitz zurück gehen. Neben den tatsächlich fest kalkulierbaren Kosten hat das den Vorteil eines gewissen Werterhalts, indem die Lizenzen gegebenenfalls auch wieder verkauft werden können.
Dennoch macht es sich zu einfach, wer einfach mit dem Finger auf die vermeintlich gierigen Softwarekonzerne zeigt. Denn oft können ihre Lösungen tatsächlich die Effizienz steigern und Vorteile bieten, wenn sie wohlüberlegt und strategisch klug an den richtigen Stellen eingesetzt werden. Selbst Thyen rät deshalb von einseitigem Schwarz-Weiß-Denken ab: „Ein gesunder Mix aus klassischen aktuellen On-Premise-Softwarelizenzen und bedarfsgerechten integrativen Cloud-Services bewahren die Investments von Unternehmen und bieten die heute geforderte Dynamik.“ Letztlich sind es noch immer die Unternehmen selbst, die entscheiden, welchen Weg sie gehen und ob und inwieweit sie sich dabei abhängig zu machen bereit sind. „Kaufmännische Grundfertigkeiten wie Risk-Management und die Steuerung von Kernprozessen dürfen nicht in Vergessenheit geraten“, mahnt denn auch Thyen an. Allzu oft sind die Unternehmensverantwortlichen jedoch von der Komplexität überfordert, sprechen sich aber zu schlecht mit der IT-Abteilung ab. Die hat zudem ihre eigene Agenda. Denn für sie ist der Cloud-Weg ein bequemer, zumal angesichts der dort meist herrschenden Personalnot. Genau hier liegt die große Aufgabe und Chance für Systemhäuser in der aktuell angespannten Situation ihre Beratungskompetenz einzubringen und individuell zugeschnittene Beratung und Lösungs-Mixes anzubringen, mit denen die Unternehmen ihre Herausforderungen nachhaltig bewältigen können. Dabei muss beim Preis auch das Risiko der Abhängigkeit und künftiger Preissteigerungen mit einbezogen werden, um die Kunden und sich selbst vor weiterem Frust und Unmut zu bewahren.