Mit der Übernahme von Sun möchte Oracle anscheinend die Spielregeln verändern, jedenfalls für das eigene Unternehmen und die Kunden. Strategisches Ziel sei jetzt, integrierte Systeme aus Hard- und Software zu liefern und obendrein alle erforderlichen Dienstleistungen zu erbringen. Von den Chips, den Speichern und den Rechnern samt Betriebssystemen über die Middleware und die Datenbanken bis zu horizontaler und vertikaler Anwendungssoftware soll künftig alles aus dem Hause Oracle kommen.
Das erinnert an das Modell, das IBM vor einigen Jahrzehnten mit Mainframes begann und später im Midrange-Bereich mit der Maschine AS/400 weitergetrieben hat. Inzwischen haben sich die Zeiten etwas geändert, wie Kenneth Chin, Research Vice President Information Infrastructure bei dem Marktforschungsunternehmen Gartner, zu bedenken gibt. Insbesondere breitet sich Virtualisierung aus und bewirkt, dass die Software von der Hardware entkoppelt wird. Außerdem haben sich die Anwender an die Freiheit gewöhnt, ihre Software unabhängig von der Hardware anschaffen zu können. Jetzt also alles wieder aus einer Hand?
Die Vorteile, die Oracle verspricht, klingen verlockend: höhere Verarbeitungsgeschwindigkeit, bessere Verfügbarkeit, einfachere Verwaltung und höhere Sicherheit – und damit weniger Arbeit und weniger Ausgaben für die IT-Abteilungen. Außerdem passt eine solche Initiative zum Zeitgeist: Der Kostendruck in den IT-Abteilungen ist wegen der Wirtschaftskrise abermals gestiegen. Die Marktbeobachter von Bain & Company sehen deshalb die Geschäftsmodelle der Anbieter von Unternehmenssoftware im Wandel: Der Trend gehe zu kostengünstigeren Möglichkeiten – namentlich SaaS, Open Source und integrierten Systemen. Im Trend liegt auch die fortschreitende Konsolidierung in der IT-Branche.
Als Nachteil droht Anwendern die Abhängigkeit von einem Anbieter, dem man in der hauseigenen IT-Landschaft einen entscheidenden, geschäftskritischen Platz eingeräumt hat. Nicht selten nutzen IT-Anbieter solche Positionen aus, um die Preise hoch zu halten. Wer wollte etwa seine SAP-Lösung austauschen, wenn als Alternative vor allem ähnliche Software zu ähnlichen Bedingungen von Oracle in Betracht kommt? Dass Microsoft sich bei Office eine Gewinnspanne von über 60 Prozent genehmigt, wird ebenfalls resignierend zur Kenntnis genommen.