Jede Krise bietet neue Chancen. So auch für Lancom Systems: Das Unternehmen ging 2002 aus Teilen der ehemaligen Elsa AG nach deren Insolvenz hervor. Mittlerweile hat man sich als einer der größten deutschen Anbieter von Routern, Switches und Netzwerkmanagement-Lösungen einen Namen gemacht.
funkschau: Herr Koenzen, Ihr Unternehmen ist vor 20 Jahren aus Teilen der Netzwerksparte der ehemaligen Elsa AG als Management-Buy-Out (MBO) hervorgegangen. Wieviel „Elsa“ steckt heute noch in Lancom Systems?
Ralf Koenzen: Ich habe ehrlich gesagt eine Zeit gebraucht, um mich von der Elsa zu lösen. Heute, nach 20 Jahren, haben wir das Thema lange hinter uns gelassen. Aber natürlich waren es mitunter auch Produkte aus dieser Zeit, die die technische Grundlage von Lancom Systems gebildet haben und sich noch heute in unseren Vitrinen am Aachener Standort befinden. Produkte, die ich zum Teil noch selbst zusammengelötet habe. Sogar der Begriff „Lancom“ ist angelehnt an einen Produktnamen aus der Zeit.
funkschau: War es rückblickend eher ein Fluch oder ein Segen, als MBO aus der Elsa AG hervorgegangen zu sein?
Koenzen: Der Übergang war ein Segen! Schließlich ging damit eine tolle „Mitgift“ einher: Wir bekamen MitarbeiterInnen– vom Vertrieb bis zur Entwicklung –, komplett ausgestattete Büros, ein Warenlager und Technologie mit, auf der wir aufsetzen konnten. Das war eine sehr gute Starthilfe. Ich habe immer leidenschaftlich für die Elsa gekämpft und gebrannt. Von daher war es natürlich erst einmal ein unfreiwilliger Schritt. Aber wir haben mit dem Team das Beste daraus gemacht – und dann konstant über 20 Jahre darauf aufgebaut. Das darf jeden Einzelnen, der uns ganz oder teilweise auf diesem Weg begleitet hat, stolz machen. Denn wir kämpfen in dem Sinne nun einmal gegen die Welt, wenn man so sagen will. (lacht) Wir kämpfen gegen die großen amerikanischen und asiatischen Netzwerkhersteller – und das tun wir sehr erfolgreich mit einem großen Partnerstamm. Auch den haben wir ursprünglich geerbt, doch er hat sich natürlich über die Jahre verändert und weiterentwickelt. Heute haben wir in unserem Partnerprogramm an die 7.000 Vertriebspartner.
Grafik: Meileinsteine aus 20 Jahren Lancom-Unternehmensgeschichte
funkschau: „Als ich 2002 das Unternehmen gründete, sah ich es als
einen klaren Gegenpol zu der immer stärkeren Dominanz amerikanischer und asiatischer IT-Anbieter“, heißt es in Ihrem Blog, in dem Sie regelmäßig aktuelle ITK-Themen beleuchten. Diese Aussage trifft also heute noch genauso zu wie damals?
Koenzen: Das war natürlich immer der spannende Punkt und ist auch heute noch die Herausforderung. 2002 hieß es von vielen Stellen noch: Wie wollt ihr das denn durchhalten? Nun, 20 Jahre später, können wir stolz sagen: Wir haben es geschafft. Wir sind immer noch hier mit unserem Know-how in Europa und in Deutschland. Wir können die Partner direkt versorgen. Wir bauen Produkte, die in die Märkte passen. Viele Jahre hat uns beispielsweise ISDN begleitet. Da hatten wir entsprechende Lösungen parat, die es so von anderen überhaupt nicht gab. Das hat uns auch viele Türen geöffnet. Heute sind wir mit einem umfassenden Portfolio und dem Thema Cloud-Management so gut wie noch nie aufgestellt in wirklich spannenden Märkten. Es gibt aber auch viele andere Themen, wo wir uns in Deutschland und Europa noch besser und schneller anpassen können – zum Beispiel die Art, wie ausgerollt wird oder die Erkenntnis, wie wir Fachhändler unterstützen können.
Bei Lancom System ist der Erfolg immer aus einem Mehrklang heraus entstanden: Es waren nie alleine die Produkte, nie allein der Vertrieb oder das Marketing oder Training oder Support – sondern es war immer das Gesamtpaket, das wir angeboten haben. Und eben auch der Punkt, dass wir von der Geschäftsführung aus immer nahe an den Kunden und Partnern waren. Wir schauen, was sie an technischen Anforderungen haben und lösen es dann softwareseitig. Auch da können wir einfach schneller reagieren. Das ist unsere Stärke. Insofern sind wir auch stolz, hier richtig erfolgreich unterwegs zu sein. Heute kommen vermehrt politische Aspekte hinzu.
funkschau: Die da wären?
Koenzen: Stichwort Souveränität: Dass etwas in diese Richtung getan werden muss, steht ja seit Langem in den Koalitionsverträgen drin. Und unsere Politiker haben es derzeit weiß Gott nicht leicht, aber Lippenbekenntnisse dazu gab es viele. Jetzt passiert zu unserem Leidwesen sehr Wesentliches in der Welt, was ohne Zweifel das Thema (digitale) Souveränität noch einmal in ein ganz anderes Licht rückt. Stichwort Netzwerktechnik: Da muss doch Platz für Europa sein. Nicht umsonst werden in Asien und in Amerika Netzwerkprodukte jeweils lokaler Mitbewerber verbaut. Und was will Europa verbauen? Auch asiatische oder amerikanische Produkte? Hier gibt es irgendwo noch einen Gedankenfehler. Und nach einer anfänglichen, etwas zähen, Bewegung, hat sich in dem Bereich eine erhebliche Dynamik entwickelt. Nicht zuletzt dadurch bedingt, dass wir uns eine sehr respektable Position verschafft haben. Viele kommen nun auf uns zu und wollen Gespräche intensivieren. Deswegen habe ich auch gar keinen Zweifel daran, dass wir weiterhin deutlich wachsen werden und in den Gebieten, in denen wir derzeit unterwegs sind – nämlich sichere Netzwerkinfrastruktur zu liefern – auch in den nächsten 20 Jahren eine wesentliche und zunehmende Rolle spielen werden.
Ein Meilenstein ist hier auch die Zugehörigkeit zum Konzern, zu Rohde & Schwarz. Das gibt einem in einer solchen Situation den richtigen Background, zum Beispiel mit Blick auf die finanzielle Stärke oder auf die Herausforderungen, die wir gerade auf der Komponentenseite haben. Täglich kommen Entwicklungen dazu, mit denen keiner rechnet. Aber das geht der ganzen Branche so. Insofern sind wir auch froh, dass immer mehr Software-Elemente hineinspielen: Unsere Router gibt es als Software, unsere Firewalls, die ganzen Managementsysteme – insofern kann man heute viel über derartige Lösungen abbilden. Und auch da werden wir von Jahr zu Jahr stärker. Aber unabhängig davon bleibt das Thema Hardware, insbesondere Access Points und Switches, relevant.
Wann? | Was? | Die Details |
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2002 |
Firmengründung |
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2010 | Besuch der Bundeskanzlerin |
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2013 | BSI-Zertifizierung |
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2016 | Rohde & Schwarz und LMC |
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2018 | Weichenstellung für stärkeres Wachstum |
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2019 | Fokus auf Security |
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2021 | Wechsel im Management |
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