funkschau: Sie haben es bereits angesprochen: Seit Juli 2018 ist Lancom 100-prozentige Tochter des Konzerns Rohde & Schwarz. Hinzu kommen übergeordnete ITK-Themen, wie die Verschmelzung von Soft- und Hardware. Was sind weitere einschneidende Entwicklungstreiber, aber auch -hindernisse, mit denen Sie es in den letzten 20 Jahren zu tun hatten?
Koenzen: Der Meilenstein schlechthin war und ist der Aufbau des Portfolios. Vor ziemlich genau 20 Jahren ging es ja auch los mit dem Thema WLAN mit 2 Megabit brutto – sprich 500 Kilobit netto, wenn es gut lief. Wenn es schlecht lief eher 100. (lacht) Da wusste aber auch noch keiner so richtig, was man damit machen sollte. Wir haben dann – basierend auf den Produkten, die wir hatten – die ersten WLAN-Router in Kooperation mit Siemens gebaut. Das waren die Anfänge. Und als dann die Lancom Systems das Licht der Welt erblickte, ging es schon in Richtung 11 und 54 Megabit. Danach kamen Switche dazu, um den Kunden im Infrastrukturbereich ein One-Stop-Shopping zu ermöglichen. Ein Portfolio, welches wir kontinuierlich immer weiter ausbauen. Vor knapp drei Jahren haben wir dann das Thema Firewalls mit aufgenommen. Heute gibt es von klein bis groß alles in der Verfügbarkeit – inzwischen auch auf der Softwareseite.
Der größte Schritt war aber die Entscheidung um 2014 herum, in das Cloud-Management einzusteigen. Man kann heute ganz klar sagen, dass diese Cloud-basierte Management-Lösung der Schlüssel für alles Weitere sein wird, was wir machen. Die Kunden- und Geräteanzahl steigt von Monat zu Monat. Immer mehr Netzwerk-Projekte werden ausschließlich damit ausgerollt und verwaltet. Gleichzeitig ist das Cloud-Thema mittlerweile in der IT-Szene gefestigt. Das ist eine wichtige Voraussetzung und so entsteht über die Cloud-Management-Plattform das universelle Tool, das uns mit unseren Vertriebspartnern verbindet und das es Service Providern ermöglicht, eigene Lösungen darauf aufzusetzen. Am Ende geht es dann nicht mehr nur um Konfigurationen oder Monitoring, sondern auch um das Abbilden des Vertrags- und Lizenzwesens, sodass wir mit unseren Partnern relativ schnell und einfach vielschichtige Lösungen bauen können.
Ein weiterer Meilenstein, der auch vor der Tür steht, ist der Einzug von Künstlicher Intelligenz in die Management-Cloud. Nämlich da, wo es um die Konfiguration von Netzwerken geht. Typisches Beispiel: Wenn wir Schulen ausstatten, schrauben die technischen Hausmeister die Access Points dort an die Wand, wo die Kabel aus der Decke kommen. Schlussendlich muss man dann an die 40 bis 50 Access Points über die Funkebene so konfigurieren, dass man das möglichst beste Netz hat. Das ist gar nicht so trivial mit klassischer Algorithmik. Aber es geht mit Elementen aus der KI. Das heißt, dass Sendeleistung, Kanallage und so weiter optimal angepasst werden – auch aus der der Ferne heraus. Das ist ein klarer Trend: Vereinfachung und Standardisierung von komplexen Installationen. Die Prozesse werden immer einfacher, obwohl die Technologie dahinter immer komplexer wird.
funkschau: Welche Punkte stehen auf Ihrer aktuellen Roadmap?
Koenzen: Wir wollen unsere Lancom Management Cloud zu der zentralen Cloud-Plattform ausbauen, mit der unsere Partner zukünftig Netzwerkprojekte aller Größenordnungen schnell und zuverlässig umsetzen können. Die Themen Digitale Souveränität und Netzwerksicherheit werden eine zentrale Rolle spielen. Und wir wollen national und international weiter deutlich wachsen – auch mit dem Konzern, also Rohde & Schwarz, zusammen. Eine weitere Vernetzung mit anderen Geschäftsbereichen wie Messtechnik und Systemlösungen, werden uns weitere Absatzkanäle weltweit öffnen. Bisher sind wir eher nach dem Motto gefahren: „Wir lösen jetzt erstmal eine Krise, dann sehen wir weiter.“ Was wir jedoch lernen mussten ist: Da ist die eine Krise noch nicht zu Ende, kommt schon die nächste. Jetzt warten wir nicht mehr ab. Also die externen Faktoren, die belasten extrem: Covid-19 seit zwei Jahren, dann seit neun Monaten das Thema Chipmangel und nun aktuell die Ukraine-Krise mit all ihren Randeffekten.
funkschau: Welchen Einfluss hat denn der Ukraine-Krieg konkret auf das Geschäft von Lancom Systems?
Koenzen: Das wird sich im Grunde noch zeigen. Bereits jetzt führt sie jedoch auf Logistikseite zu weiteren Verwerfungen, weil viel Frachtvolumen, die entweder russisch registriert oder von russischen Unternehmen bereedert wurden, fehlen. Dabei ist der Frachtmarkt generell am Limit. Und natürlich fliegen wir derzeit viele Komponenten, weil die Zeit knapp ist. Die Frachtraten steigen – teilweise kostet eine Fuhre im Extremfall so viel wie die Komponente selbst, die wir fliegen. Das hat früher vielleicht ein Zehntel der Kosten ausgemacht. Eine abartige Situation.
Das Learning daraus ist: Warte nicht, bis eine Krise vorbei ist. Nutze sie eher in irgendeiner Form. Die hohe Dynamik brauchen wir. Wir sind hier in einer guten Position durch unseren Gesellschafter, denn dadurch sind wir viel krisenresistenter. Wir können Lagerbestände hochfahren. Wir können auch mehr ins Risiko gehen, was Bestellungen angeht. Wir können unsere Fertigungspartner besser unterstützen.
funkschau: Apropos Krisenresistenz: Wie begegnet Lancom dem Fachkräftemangel?
Koenzen: Das ist eine ganz große Herausforderung. Hier gibt es keine Patentlösung, aber wir haben das Recruiting über die letzten Jahre komplett verändert – und sehen zum Beispiel im Entwicklungsbereich, dass hier Recruiting auch aus der Abteilung heraus funktioniert; also praktisch von Kollege zu Kollege über soziale Netzwerke. Aber in der Tat ist das eine der größten Herausforderungen derzeit.
Auch New Work ist natürlich ein Thema bei uns. Wir überlegen, wie die Arbeit der Zukunft aussieht. Die Homeoffice-Pflicht ist gerade einmal seit einer Woche aufgehoben und wir investieren massiv in Räumlichkeiten, in Videokonferenzinfrastruktur, in Besprechungsräume und weitere Angebote, wie wir es auch interessant machen können für Mitarbeitende, wieder ins Haus zu kommen. Wir unterstützen unsere Führungskräfte mit Programmen, mit Ideen, mit Austauschrunden, sodass man wieder zusammenkommt und letzten Endes die richtige Mischung an Arbeitsformen findet. Damit man auch wieder den persönlichen Austausch ins Haus bringt – und daraus auch wieder ein Team entstehen kann. Eines, das auf dem fußt, was es groß gemacht hat: Zusammenarbeit.