LANline: Auch das Aufkommen an Dienstreisen hat sich in den letzten beiden Jahren stark gewandelt. Wie stellt sich hier die Ökobilanz dar?
Jens Clausen: Die positiven Klimaeffekte von Videokonferenzen anstelle von Dienstreisen können 20-Mal so groß sein wie die Effekte durch das Home-Office. Und gerade das vielreisende Personal ist über Videokonferenzen gar nicht so unglücklich. Denn statt des Zeitaufwands für Flug oder Bahnfahrt nur noch die eigentliche Konferenzzeit zu benötigen, das ist ein sehr guter Deal. Das sehen auch die Betroffenen so. Und alle haben während der Pandemie die Erfahrung gemacht: Viele Treffen wie Projektgruppensitzungen, bei denen sich die Beteiligten schon kennen, können ebenso gut virtuell stattfinden, das funktioniert!
LANline: Wie sollten die Unternehmen beim Thema Dienstreisen künftig vorgehen?
Jens Clausen: Die Lizenzen für Videokonferenzsoftware kosten gegenüber Flug oder Bahnfahrt nur ‚einen Appel und ein Ei‘. Ergänzend sollten Unternehmen überlegen, in Whiteboards, digitale Pausenräume und Schulungen zu investieren, damit die Beschäftigten Videokonferenzen mit besseren Möglichkeiten und mehr Erfolg durchführen können. Videokonferenzen zu fördern ist aus ökologischer Sicht eine sinnvolle Strategie.
LANline: Sehen Sie Handlungsbedarf seitens des Gesetzgebers, um den Arbeitsalltag umweltfreundlicher zu machen?
Jens Clausen: Beim Thema Home-Office oder „Recht auf Home-Office“ besteht aus ökologischer Sicht kein Handlungsbedarf. Und auch das Desksharing zu regeln, sehe ich nicht als Aufgabe der Politik, sondern des jeweiligen Unternehmens.
LANline: Und in puncto Dienstreisen?
Jens Clausen: Beim Thema Dienstreisen müssen wir die Diffusion neuer und die Exnovation alter, umweltschädlicher Verhaltensweisen und Produkte synchronisieren. Wenn schon der Gesetzgeber innerdeutsche Flugreisen nicht verbietet, sollten zumindest die Unternehmen per Reisekostenrichtlinie die Hemmschwellen etwas höher setzen.
LANline: Muss sich bei der Pendlerpauschale etwas ändern?
Jens Clausen: Die Pendlerpauschale reizt Mobilität an, das können wir uns eigentlich nicht mehr leisten. Wenn jemand aufgrund der Möglichkeit zum Home-Office freiwillig umzieht und dann weite Strecken pendelt, dann darf das eigentlich nicht steuerlich belohnt werden.
LANline: Wo ließen sich im Home-Office-Kontext sonst noch ökologische Verbesserungen erzielen?
Jens Clausen: Ein weiteres Problem: Der Wohnraum pro Person wächst in Deutschland stetig. Hier sind Angebote wie Relocation-Services sinnvoll, damit zum Beispiel eine Rentnerin in eine kleinere Wohnung in ihrem Viertel umziehen kann, sodass ihre bisherige große Wohnung zum Beispiel durch eine junge Familie genutzt werden kann. Das entlastet den Wohnungsmarkt und ist auch aus ökologischer Sicht ein Gewinn.
LANline: Herr Clausen, vielen Dank für das Gespräch.