Anders als Anbieter versprechen, läuft bei Cloud-Projekten nicht immer alles rund. Ein Gastkommentar von Gartner-Analyst René Büst.
Das Marketing der großen Cloud-Anbieter klingt verlockend. Augen zu, Kreditkarte durchziehen und los geht die Cloud-Reise. Doch wer am Anfang zu stark die Augen verschließt, dem wird der Blick anschließend stark vernebelt sein.
Aber die guten Neuigkeiten zuerst: Das Interesse und die Investitionen in die Cloud sind ungebrochen. Eine Gartner-Studie zeigt, dass 62 Prozent der deutschen Befragten, die am Einkauf von Cloud-Diensten in ihrem Unternehmen beteiligt sind, die Ausgaben für Cloud Computing in den nächsten zwölf Monaten erhöhen werden. Public-Cloud-Dienste, wie Infrastruktur- und Plattformdienste, stehen dabei im Mittelpunkt, wenn es um das Thema Innovation geht. Die zunehmende Akzeptanz und die steigenden Ausgaben treiben die Dynamik dieses Trends noch weiter voran. Eine Mehrheit von fast 90 Prozent der Befragten, die eine Public Cloud (IaaS) nutzen, gibt an, dass ihr Unternehmen mehrere Public-Cloud-Anbieter verwendet.
Public-Cloud-Anbieter stehen in der Regel im Mittelpunkt von Digitalisierungsinitiativen, was auf die Marktdominanz einer kleinen Zahl von Hyperscale-Cloud-Anbietern zurückzuführen ist. Die Botschaften dieser digitalen Giganten sind mächtig und überzeugend, und es scheint, dass die Vorteile der Public Cloud leicht zu erreichen sind. Dass hier Realität und Wirklichkeit auseinanderliegen, zeigt wiederum unsere Studie. Zwar nennen die Befragten IT-Modernisierung und Effizienzsteigerung als die wichtigsten Ergebnisse der Cloud-Einführung. Allerdings berichtet fast ein Drittel
(29 Prozent) von erfolglosen Projekten oder ineffektiv implementierten Cloud-basierten Lösungen.
Die Gründe für gescheiterte Cloud-Projekte sind unterschiedlicher Natur: Zwar scheitert nur ein kleiner Prozentsatz dieser Projekte vollständig, aber viele stoßen bei der Umsetzung auf Probleme.
Dies sind unter anderem: für die Cloud ungeeignete Workloads, schlechte Wahl des Anbieters und schlechte Implementierung, ungenaue Kostenvoranschläge, unerwartete Kostensteigerungen, Probleme bei der Integration, schlecht durchdachte Migration. Gartner-Interaktionen mit Anwenderunternehmen zeigen zudem, dass die Public-Cloud-Komplexität und der Mangel an Talenten und Fähigkeiten für den Aufbau und Betrieb einer Public-Cloud-Infrastruktur mit dem Scheitern von Cloud-Projekten zusammenhängen. Darüber hinaus geben die Umfrageteilnehmer an, dass die frustrierendsten Aspekte der Zusammenarbeit mit Public-Cloud-Infrastrukturanbietern folgende sind: Cloud-Performance (28 Prozent), Kostenkontrolle (28 Prozent), Interoperabilität der Cloud (27 Prozent), Migration unternehmenskritischer Anwendungen in die Cloud (27 Prozent), Einhaltung gesetzlicher Vorschriften (26 Prozent).
Obwohl das Medieninteresse fortwährend auf Hyperscale-Cloud-Anbieter fällt, verwundert es nicht, dass 73 Prozent der Umfrageteilnehmer angeben, dass ihr Unternehmen mit Cloud-IT-Service-Anbietern zusammenarbeitet, um die oben genannten Frustrationen zu überwinden. Als Hauptmotiv für die Zusammenarbeit mit solchen Anbietern nennen die Befragten End-to-End-Lösungen (54 Prozent) und die Möglichkeit, von deren Cloud-Fähigkeiten und -Erfahrungen zu profitieren (41 Prozent).
Egal, ob in Zusammenarbeit mit einem Cloud-IT-Service-Anbieter oder auf eigene Faust – um Cloud-Projekte erfolgreich(er) abzuschließen, sind im Problemfall folgende Maßnahmen empfehlenswert: Cloud-Implementierungen, die von Anfang an Probleme haben, sollten überdacht werden. Die meisten Probleme mit Cloud-Projekten treten zu Beginn der Bemühungen auf und sind das Ergebnis einer schlechten Planung. Manchmal ist es am besten, solche Projekte vorübergehend zu beenden oder den Umfang eines Projekts zu reduzieren.
Helfen kann auch eine Bewertung des Implementierungsrisikos für jedes große oder langfristige Cloud-Projekt. Dabei werden im Voraus wahrscheinliche Maßnahmen als Reaktion auf die einzelnen Risiken bestimmt. Es sollte sichergestellt werden, dass alle beteiligten Anbieter verpflichtet sind, Projektmeilensteine rechtzeitig zu erreichen.
Weist ein Projekt schwerwiegende Probleme auf, sollte es unterbrochen werden, um die Probleme zu analysieren. Bei einem „Rettungsworkshop“ mit den wichtigsten Stakeholdern lässt sich der beste Weg für das weitere Vorgehen bestimmen; dabei sollte auch die mögliche Reduzierung des Projekts auf den „kleinsten Fall“ besprochen werden, der einen gewissen Wert liefert. Das ist sinnvoller, als das Projekt vollständig abzubrechen.