Um spitzfindig zu werden: Die herkömmliche Einteilung in Broadliner und Spezialdistributoren verliert womöglich im Zuge dieser Entwicklung an Schärfe, wie beispielsweise schon Tech-Data-Chef Michael Dressen festhielt: »Die alten Begrifflichkeiten passen nicht mehr. Broadliner oder VAD? Da gibt es keine Unterschiede mehr.« Dass sich manche Distributionsschwergewichte inzwischen aber vom Broadliner-Status lieber ganz verabschieden und sich neu etikettiert sehen möchten, geht auf ein Missverständnis zurück. Den Broadliner setzt die Branche immer noch fälschlich mit dem »Kistenschieber« gleich, also einem auf Prozessoptimierung und Logistikdienste spezialisierten Großhändler von Commodity-Produkten für den Massenmarkt. Deshalb stellen die Distributionsriesen Also und Ingram Micro, deren Geschäftsfokus traditionell im Hardwaregeschäft lag, ihre Fortschritte im Lösungs-, Dienstleistungs- und Beratungsgeschäft heraus. Ingram Micros Deutschlandchef Alexander Maier zeigt gegenüber CRN sein Unbehagen gegenüber der traditionellen Kategorisierung: »Nicht zuletzt wegen der wachsenden Differenzierung unseres Angebots lässt sich feststellen, dass die Einstufung als Broadline-Distributor dem tatsächlichen Leistungsspektrum von Ingram Micro nicht mehr gerecht wird.«
Der Witz ist freilich: Dass man den Broadliner keineswegs mit einem reinen Volumendistributor gleichsetzen sollte. Denn der Broadline-Distributor adressiert mit einem umfänglichen Angebot alle vorhandenen Vertriebskanäle, vom Retail-/Etail-Segment bis hin zum Corporate Reseller, mit den jeweils passenden Angeboten. In gewisser Hinsicht lässt sich also festhalten, dass Tech Data mit seiner starken VAD-Sparte Azlan lange Zeit der einzig »echte« Broadliner in der deutschen Distributionslandschaft war. Inzwischen folgen alle Distributionsschwergewichte dem Ansatz – mehr denn je.
Wir können diese Distributionsanbieter ebenso flapsig als Alleskönner der Distributionszene bezeichnen – Fakt ist: Diese One-stop-Einkaufsquelle wird unverändert gebraucht. Systemhauschef Michael Schickram von Schickram IT beschreibt gegenüber CRN die Vorteile der Zusammenarbeit mit den Broadline-Distributoren: »Zum einen gestaltet sich natürlich der Bestellprozess einfacher, wenn ich alles aus einer Hand bestellen kann. Zum anderen kann mich ein Anbieter mit einem breiten Sortiment auch gut auf naheliegende Lösungsergänzungen aufmerksam machen. Und außerdem erreiche ich kumuliert ein höheres Einkaufsvolumen und damit ein besseres Standing bei Herstellern.« Schickram ist überzeugt: »Es gibt gute Argumente für beide Formen – Broadliner und VADs. Für den Fachhandel geht es nicht um das ›Entweder-oder‹, sondern um ein ›Sowohl-als-auch‹.« Schickram arbeitet mit Spezialdistributoren vor allem bei noch weniger geläufigen Lösungen, die im Broadliner-Angebot ohnehin nicht zu finden sind. »Außerdem ist das Know-how beim Spezialisten manchmal tiefer«, resümiert er vorsichtig. Gemeint ist: Aber nicht immer.