ICT CHANNEL: Wie können Sie und Ihre Fachhandelspartner Unternehmen dabei helfen, tatsächlich ihren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren und wie aufwendig ist das? Spielt das für die Unternehmen tatsächlich eine wichtigere Rolle beim Kauf gebrauchter Hardware, oder ist eher der Preis das entscheidende Kriterium?
Bleicher: Der Preis ist und bleibt natürlich das entscheidende Kriterium. Aber die gute Nachricht ist: Auch beim Erwerb gebrauchter bzw. Refurbished IT spielt zunehmend eine Rolle, wie gut das Preis-Leistungsverhältnis im Gesamtprozess ist. Argumente wie z.B. Garantieleistungen, Logistik-Services, Datenschutz und -sicherheit, Virenschutz sowie Ready-to-use-Geräte mit aktueller Software-Betankung sind für die Unternehmen durchaus attraktiv. Vor allem aber gewinnen Finanzierungsformen wie Leasing vermehrt an Zuspruch – der IT-Arbeitsplatz wird hier eher als temporär genutztes Arbeitstool behandelt, und das kommt der Flexibilität in wirtschaftlich unsicheren Zeiten entgegen. Auch der Umgang mit Retouren aus Verkäufen ist für alle Seiten wirtschaftlich interessanter geworden, vor allem, wenn das neue Notebook nur wegen der „falschen“ Farbe zurückgegeben wurde.
Alles in allem sehe ich die Refurbisher in der Pflicht, Unternehmen und Fachhandelspartner im gesamten Zyklus der IT-Kreislaufwirtschaft umfassender zu beraten und zu begleiten, denn viele Entscheidungen werden aufgrund von Unwissenheit oder Unsicherheit so oder so getroffen. Wir als Experten müssen für den nachhaltigen Umgang mit IT begeistern statt um Akzeptanz betteln. Wenn wir es schaffen, IT Refurbishing und Remarketing in den Köpfen als wirtschaftlich, verantwortungsvoll UND cool zu positionieren, schaffen wir auch eine positive Wende.
ICT CHANNEL: Was unternimmt bb-net selbst in diesem Sinne?
Bleicher: In erster Linie sind wir bei bb-net mal ehrlich zu den Handelspartnern und Unternehmen: Der Händler muss wissen, dass er nachweislich leistungsstarke Ware verkaufen kann und welche Marge er konkret hat – das Unternehmen muss wissen, was Refurbished IT kann und nicht kann und vor allem, ab welchen Mengen und mit welchen Geräten sich ein Verkauf der Alt-IT an einen Refurbisher überhaupt lohnt. Refurbishing und Remarketing kann langfristig nur dann erfolgreich betrieben werden, wenn die Qualität der Ausgangsware stimmt. Aufwändig produzierte, solide Business-Laptops beispielsweise sind optimal für die Wiederverwendung im 2. Lebenszyklus – Server, Drucker, Infrastrukturkomponenten oder Zubehörteile hingegen sind in der Aufbereitung relativ komplex und schlecht wieder verkaufbar. Das müssen alle Beteiligten wissen und sich gegenseitig nicht vormachen. Und dann muss auch der Erwerb von Refurbished IT für Unternehmen zum „Shopping-Erlebnis“ werden – genauso wie beim Neuwaren-Kauf, von der Kommunikation technischer Highlights über die Software-Kompetenz bis hin zum Lieferservice. Dafür rüsten wir als Refurbisher unsere Handelspartner entsprechend aus und emotionalisieren mit ihnen gemeinsam die sogenannte Customer Journey.
ICT CHANNEL: Viele Unternehmen konzentrieren sich bei ESG vor allem auf den Umwelt-Aspekt. Was halten Sie von der immer wieder beschworen CO2-Neutralität, die meist zum erheblichen Teil durch Ausgleichs-Käufe erreicht wird? Sehen Sie alternativen, beispielsweise in lokalen Projekten?
Bleicher: bb-net ist seit Anfang 2020 selbst CO2-neutral und hat das aber nur durch eine 3-Stufen-Strategie erreicht: Am wichtigsten ist für uns das grundsätzliche Vermeiden von Umweltverschmutzung. Erst, wenn CO2-Belastung nicht zu vermeiden sind, versuchen wir diese möglichst umfassend wieder zu reduzieren. Und erst im letzten Schritt kompensieren wir, was nicht zu vermeiden war. Das sind zum Beispiel Dienstreisen, die bei uns eine Umweltbelastung von 5 Tonnen CO2 verursachen – und dafür pflanzen wir dann Bäume als Ausgleich.
Viele Unternehmen beschäftigen sich aber nicht derart ausgiebig mit den Zahlen rund um die verursachten Umweltbelastungen und gleichen präventiv dann irgendetwas durch irgendwelche Aktionen aus. Ich finde schon, dass es zur gesellschaftlichen Mitverantwortung gehört, sich das eigene Handeln als Unternehmen und die damit verbundenen Grenzen bewusst zu machen. Das ist ein erster wichtiger Schritt und die einzig sinnvolle Alternative zu den besagten Ausgleichskäufen: mehr Selbstreflektion, Genauigkeit und Arbeit am Detail – und weniger Fishing for Compliments bzw. Publicity! Im Kleinen kann jeder sofort anfangen, auch wenn das mühsam erscheint. Beleuchtung, Ökostrom, Reinigungsmittel, Papierverbrauch, Kaffeebohnen – wem das nicht egal ist, der ist schon mal besser als der Durchschnitt.