Im Prinzip gibt es also die oft beschworenen strengeren Datenschutzvorschriften in Europa und insbesondere in Deutschland tatsächlich. Sie nützen Unternehmen jedoch nur bedingt, wenn der Cloud Provider seinen Hauptsitz beispielsweise in den USA oder China hat – denn dann unterliegt der Anbieter dem jeweiligen nationalen Recht und die Daten seiner Auftraggeber gleich mit, auch wenn das Rechenzentrum gegebenenfalls in Europa steht. Das gilt im Übrigen auch, wenn der Cloud Provider selbst zwar etwa ein deutsches Unternehmen ist, für seine Services aber auf die Ressourcen von Amazon und Co. zurückgreift. In diesem Kontext ist die Diskussion um eine eigenständige Europa-Cloud mehr als notwendig. Noch sind die Pläne der Bundesregierung zu wenig ausgereift, um sich ein Urteil über deren Tragfähigkeit und praktische Relevanz zu erlauben. Zudem dürfen die Pläne nicht auf die Infrastruktur selbst beschränkt bleiben, sondern müssen schon bald den Anwendungs-Stack einbeziehen. Denn nur dann können sich digitale Geschäftsmodelle wirklich entwickeln.
Bisweilen erweckt die erneut entbrannte Diskussion um die Sicherheit von Cloud-Angeboten den Eindruck, dass es keine Alternativen zu den amerikanischen Marktführern gäbe. Das stimmt so nicht. Es gibt mehrere deutsche Anbieter, die ihre Services im deutschen Rechtsraum und auf der Basis deutscher oder europäischer Rechenzentren zur Verfügung stellen. Und diese bieten keineswegs nur Lösungen für Nischenindustrien: moderne Infrastrukturen, die den Anforderungen wie DSGVO oder C5 entsprechen und dabei sowohl als IaaS als auch als Full-Service-Cloud gebucht werden können. Gerade mittelständische Unternehmen, die durch die Europa-Cloud insbesondere auf ihrem Weg in die Digitalisierung unterstützt werden sollen, profitieren gegebenenfalls von individuell zugeschnittenen lokalen Lösungen.
Henrik Hasenkamp ist CEO und Mitgründer von Gridscale
Das Projekt Gaia-X |
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„Eine vernetzte Dateninfrastruktur als Wiege eines vitalen, europäischen Ökosystems“ – so lautet der Untertitel einer 56-seitigen Broschüre zum Projekt Gaia-X, die auf der Webseite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (bmwi) zum Download bereitsteht. Darin und in den FAQ auf der Webseite ist nachzulesen, worum es beim Projekt Gaia-X geht: So solle dafür gesorgt werden, dass die nächste Generation einer Dateninfrastruktur für Europa sicher und vernetzt sei sowie höchsten Ansprüchen an digitale Sourveränität genüge. Dabei vernetze das Projekt Gaia-X zentrale und dezentrale Infrastrukturen zu einem homogenen System. Gaia-X sei dabei nicht als Konkurrenzprodukt zu existierenden Angeboten, beispielsweise denen von Hyperscalern, zu sehen; stattdessen solle eine Vernetzung verschiedener Elemente über offene Schnittstellen und Standards stattfinden, um letztendlich eine Innovationsplattform zu schaffen. Das Projekt richtet sich an Unternehmen jedweder Größe, also Industrieunternehmen, KMUs sowie Start-ups. Ziel sei, bis Frühling 2020 eine Organisation mit Rechtsfähigkeit zu gründen, die die technische Lösung und das Regelwerk erarbeitet. Ein Proof of Concept ist bis Ende 2020 geplant. (SN) |