CRN: Können Sie einen typischen Problemfall für Amazon Marketplace schildern?
Keller: Gerne. Wir haben aktuell den Fall eines Händlers, der einen Restposten an Kabel-Beständen zu besonders günstigen Preisen auf Amazon.de anbot. Der Hersteller der Kabel hatte zunächst versucht, den Verkäufer als Vertragshändler zu gewinnen und so zur Einhaltung der von ihm vorgeschrieben Verkaufspreise zu bringen. Nachdem der Händler das ablehnte, wurde er vom Hersteller wegen der Verwendung von urheberrechtlich geschützten Bildern in seinen Amazon-Angeboten abgemahnt. Das Perfide dabei ist, dass der Händler die Bilder gar nicht selbst bei Amazon eingestellt hatte. Vielmehr war er aufgrund der von Amazon vorgegebenen Einstellpraxis für die Internetplattform Marketplace dazu gezwungen, in der bestehenden Angebotskategorie mit den bereits existierenden Produktbildern anzubieten. Der Händler ging davon aus, dass das Nutzungsrecht an den Bildern bei Amazon liegt. Dem inzwischen auch gerichtlich in Anspruch genommenen Händler droht nun ein finanzieller Schaden im fünfstelligen Eurobereich.
CRN: Handelt es sich bei dem Fall um eine für die Plattform Amazon.de typische Problematik?
Keller: Ja, denn für Amazon zählt vor allem die Einheitlichkeit der Angebote. Sobald ein Angebot einmal besteht, wird es dem Händler – anders als etwa bei Ebay – verwehrt, eigene Produkte anzulegen. Trotzdem ist der Händler für die Rechtssicherheit des gesamten Angebots haftbar. Es ist verständlich, dass Amazon seinen Kunden gerne alles aus einer Hand bieten möchte. Auf der anderen Seite stiftet das Unternehmen die Händler dadurch aber zu Urheberrechts- wie auch Wettbewerbsverletzungen an. Es entsteht so ein Konflikt zwischen Kunden- und Händlerinteressen: Die Händler wollen in erster Linie rechtssicher anbieten – das ist auf Amazon nach unserer Auffassung und auch der Auffassung einiger anderer Kollegen derzeit aber nicht möglich.
CRN: Ist Amazon.de diese Problematik bewusst?
Keller: Amazon versucht in vielen Fällen zu vermitteln und hat auch bereits in einer Reihe von Fällen die entstanden Abmahnkosten übernommen. Doch im Prinzip wäre eine grundsätzliche Änderung der Angebotsmöglichkeiten nötig. Aber ich bin mir nicht sicher, ob bei der Zentrale von Amazon.com in den USA das nötige Verständnis für zeit- und kostenaufwändige Änderungen an der Online-Plattform vorhanden ist.