Die Einführung des E-Rezepts gestaltet sich schwierig und verzögert sich stets aufs Neue. Andreas Bogusch von Medgate meint: Das E-Rezept muss bei Patienten ankommen und für Leistungserbringer einfach in der Handhabung werden.
Die Einführung des E-Rezepts gestaltet sich schwierig. Schon 2009 handelte meine Studienabschlussarbeit vom E-Rezept als Never-ending Story. Ursprünglich sollte es laut Patientendaten-Schutz-Gesetz zum 1. Januar 2022 verpflichtend und flächendeckend eingeführt werden. Wegen Kritik an Fristen und Technik wurde die Testphase verlängert und ein sukzessiver Roll-out nach Regionen beschlossen. Dieser gerät nach dem Ausstieg Schleswig-Holsteins erneut ins Stocken. Zwar wurden schon über 300.000 E-Rezepte eingelöst; im Verhältnis zu rund 500 Millionen Papierrezepten per annum ist das aber einverschwindend geringer Anteil. Viel zu gering, als dass das Gros der Patienten und die Gesundheitsversorgung spürbar profitieren könnten. Denn dies erfordert einen hohen Verbreitungsgrad und die feste Verankerung als standardisiertes Leistungsangebot in der Versorgungslandschaft. Kurz: Das E-Rezept muss bei Patienten ankommen und für Leistungserbringer einfach in der Handhabung werden.
Aufgrund vieler Diskussionen zu Umsetzungsdetails, gerät das Wesentliche aus dem Blick: E-Rezepte ermöglichen eine effizientere und effektivere Versorgung. Sei es durch einen möglichen digitalisierten Wechselwirkungscheck in der Notfallversorgung oder im Falle der Verschreibung mehrere Präparate durch unterschiedliche Ärzte. Es ist anerkannt, dass E-Rezepte die Patientensicherheit und Versorgungsqualität verbessern können. In Kombination mit Videosprechstunden ermöglichen sie zudem eine vollständig digitalisierte Patienten-Journey beziehungsweise Versorgung. Das macht Sinn für die junge, urbane Bevölkerung sowie PatientInnen auf dem Land, denn digitale Versorgung ist bequem, effizient und vermeidet unnötige Arztbesuche sowie Ansteckungsrisiken in Praxen. Versorgungsdefizite in ländlichen Regionen können ausgeglichen werden, indem ärztliche Ressourcen dort verfügbar gemacht werden, wo dringend benötigt. Schon heute kommen in Hamburg auf einen Arzt 133 Einwohner, während es in Brandenburg mit 248 fast doppelt so viele sind. Diese Unterschiede verschärfen sich weiter, da immer weniger Ärzte in Landarztpraxen praktizieren wollen und viele bald in den Ruhestand gehen. Das Durchschnittsalter der Ärzte liegt bei 54,2 Jahren.
Trotz Konsens bezüglich der Vorteile, kommt das E-Rezept bei Patienten nicht an. Wer sich auf Spurensuche nach Ursachen begibt, stößt auf vielfältige Kritik. Angeführt werden Systemabstürze in Praxen aufgrund elektrostatischer Aufladung bestimmter eGKs (elektronische Gesundheitskarte). Auch die E-Rezept-Einlösung wird kritisiert. In Ermangelung NFC-fä-higer eGKs und zugehöriger PIN-Nummern kann kaum ein Patient das E-Rezept in der hierfür vorgesehen App aufrufen. Die Notlösung: Patienten bekommen einen ausgedruckten Token, um diesen in Apotheken einzulösen. Ein vielfach kritisierter Medienbruch. Auch der neue Weg zur Einlösung ist umstritten: Patienten sollen sich per eGK ausweisen, damit Apotheken das in der TI hinterlegte E-Rezept abrufen können. Hinzu kommt: Noch immer sind nicht alle Arztpraxen beziehungsweise ihre PVS-Systeme und Apotheken E-Rezept-ready.
Der Tenor der Kritik: Technologische Unzulänglichkeiten und Mehraufwände für die, die das E-Rezept umsetzen. Kritik ist wichtig. Sie offenbart, wo nachgebessert werden muss. Sie kann Fortschritt aber nicht verhindern. Selten verläuft die Einführung neuer Technologien reibungslos. Ob E-Auto oder Smartphone – Technologien haben Schwächen. Stimmen ihre Mehrwerte, nutzen wir sie dennoch. Und das trifft auf das E-Rezept zu. Statt sich in technologischen Diskussionen aufzureiben, könnte eine neue Herangehensweise bei der Implementierung des E-Rezepts für frischen Wind sorgen: Anstatt die analoge Versorgungswelt mit Schnittstellen in die digitale Welt auszustatten, könnte man den Prozess umdrehen.
Also eine digitale Versorgungsstruktur schaffen und diese mit Schnittstellen in die analoge Welt ausstatten. Dies hätte zwei Vorteile: Erstens die Entlastung der Arztpraxen. Diese arbeiten bereits jetzt an ihrer Belastungsgrenze, weshalb oft Zeit, Personal und finanzielle Ressourcen zur Umsetzung des E-Rezepts fehlen. Zweitens eine spezialisierte, und qualitativ exzellente digitale Medizin. Eine auf digitale Versorgung spezialisierte Struktur, ausgestattet mit hierfür essenziellen technologischen und telemedizinischen Kompetenzen, garantiert hohe Qualität. Dafür müsste allerdings die starre Regulierung im GKV-Markt modernisiert werden. Wie heißt es so schön: Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann. So konnten wir in der PKV bereits tausende elektronische Rezepte ausstellen; reibungslos und mit hohem Mehrwert. Jetzt geht es darum, dass alle GKV-Versicherten in den Genuss einer hochwertigen Telemedizin kommen, inklusive medienbruchfreier sicherer Rezeptierung.