Die Fastenzeit bringt in Bayern immer auch die Starkbierprobe auf dem Münchner Nockherberg mit sich, Politiker-Derblecken face to face inklusive. 2020 komplett ausgefallen, half heuer die Technik: PolitikerInnen und Publikum waren per Videoschalte live dabei. Wie es schien, hatten alle ihren Spaß.
Der rote Teppich war am 5. März 2021 im Foyer des Nockherbergs ausgerollt, das Moderatoren-Team des Bayerischen Rundfunks stand bereit – eigentlich alles wie immer. Nun mussten nur noch die PolitikerInnen einlaufen. Sie kamen auch, allerdings nicht aus Fleisch und Blut, sondern zugeschaltet auf den Monitoren, die ebenfalls auf dem roten Teppich platziert waren. Dort fand das übliche lockere Warmreden statt. Die PolitikerInnen hatten es sich derweil bei einem vorher ausgelieferten Starkbier-Brotzeitteller und Kaltgetränk gemütlich gemacht: Markus Söder saß in der Zirbelstube der Staatskanzlei, Katharina Schulze von den Grünen im Landtag, wieder andere in Hobbykellern oder nicht genau zu identifizierenden Räumen; auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet und der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz waren zugeschaltet, letzterer tagesaktuell flankiert von einer Schlumpf-Figur am Brotzeit-Brettl.
Nachdem die Türen zum Festsaal, in dem sonst hunderte Menschen dem Treiben auf der Bühne folgen, geöffnet wurden, übernahm Fastenredner Maximilian Schafroth. Die vorher auf dem roten Teppich Empfangenen wurden ihm nun auf die Monitore auf der Bühne zugeschaltet, bevor sie dann auf ihre Plätze "gebracht" wurden. Auf den Festtischen in den ersten Reihen standen entsprechend Bildschirme.
Ganz ohne Publikum sollte das Ganze nicht vonstatten gehen. Auf Bildschirm-Wänden wurden dutzende weitere PolitikerInnen zugeschaltet, von Andreas Scheuer über Claudia Roth bis zu Dietmar Bartsch. Auch ein großer Teil der SchauspielerInnen und Regisseure der vergangenen Singspiele wohnte dem Nockherberg virtuell bei.
Dass die Veranstaltung den Charme einer normalen Videokonferenz weit überstieg, war der spritzigen Fastenrede von Schafroth sowie kreativen Gesangseinlagen zu verdanken. Zwischendurch wurde auch der ein oder andere Politiker nochmal auf einen Monitor auf die "Bühne geholt", wo er einem gesonderten Derblecken unterzogen wurde. Da allen Teilnehmern die Mikrofone freigeschaltet waren, gab es sowohl Live-Applaus als auch Zwischenrufe. Die Live-Sendung musste allerdings auf das Singspiel verzichten, da wochenlange Proben des Ensembles unter Corona-Bedingungen nicht möglich gewesen wären.
1,9 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer bundesweit, davon 1,3 Millionen in Bayern, sahen am Freitagabend "Auf dem Nockherberg 2021" laut BR-Angaben im Fernsehen. Der Marktanteil sei damit bei 27,6 Prozent in Bayern gelegen. Online wurden demnach auf den Seiten des BR 134.000 Besuche gezählt, der Livestream "Auf dem Nockherberg 2021" baute die Resonanz gegenüber den Vorjahren aus (55.000 Livestream-Starts). Auf den Social Media-Kanälen wurde mitdiskutiert. Auf Twitter zählte die Starkbierprobe am Freitagabend mit knapp 3.000 Tweets zu den Top 3 der Trending Topics. "Die Starkbierprobe auf dem Nockherberg ist die urbayerische Art, der Macht zu trotzen, selbst wenn die Macht ‘Corona‘ heißt", so Dr. Reinhard Scolik, BR-Programmdirektor Kultur. "Wir sind sehr froh, dass in diesem Jahr immerhin wieder die Fastenrede stattfinden konnte. Der hohe Aufwand hat sich gelohnt, und der Zuspruch der Zuschauerinnen und Zuschauer zeigt, wie sehr der Nockherberg erst recht in Pandemiezeiten die Menschen begeistern kann."
Damit zeigte der Nockherberg erneut, was alles möglich ist: Nachdem mit Luise Kinseher bis 2018 acht Jahre lang eine Frau die Fastenrede gehalten hatte – etwas, was nach Jahrzehnten der rein männlichen Besetzung fast unmöglich erschien – stieg 2021 nun also der erste digitale Nockherberg. Für das Derblecken war bislang die persönliche Präsenz essenziell, doch zeigte sich: Wenn es sein muss, dann geht es auch digital. Die Veranstaltung mag das Zeug haben zur Blaupause für Firmenchefs, die dem virtuellen Kanal immer noch misstrauen.