Steuern via Satelliten-Internet - Teil 1

Fernzugriff mit Weltraum-Latenz

21. Dezember 2020, 7:00 Uhr | Dr. Johannes Wiele/jos

Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Proof of Concept

Vor dem eigentlichen Test sollte ein Proof of Concept mit möglichst geringem Aufwand stattfinden. Was nicht zu umgehen war, war der Aufbau der Satelliten-Empfangsstation. Hier schickte Filiago einen Monteur und ein Komplettset, das sich für Wand- oder Mastmontage oder auch für die Anbringung an der Erde eignete.
Im Nachhinein interessant ist, dass auch wir den potenziell größten Stolperstein für eine erfolgreiche Internet-via-Satellit-Verbindung gar nicht im Blick hatten, sondern ständig nur an Zuverlässigkeit und die leidige Latenz dachten. Dabei steht es so oft und groß auf den Angebotsseiten der Provider: Es muss freie Sicht zum Satelliten bestehen!

Dass ich daran nicht dachte, lag einerseits daran, dass man die Position solch eines künstlichen Himmelskörpers mental grundsätzlich einfach als „hoch genug“ einstuft. Und: Es hatte ja schon einmal einen Satellitenkontakt gegeben, und zwar für Internet und Fernsehen. Deshalb zeigte ich dem Monteur auch reichlich stolz den im Dachstuhl fest eingebauten, massiven Antennenmast, der sogar auf einem ebenso gut dimensionierten Rotor mit Fernsteuerung saß.

„Geht nicht.“ – „Was?“ – „Unsere Satelliten sind niedriger über dem Horizont. Der Wald dahinten, das geht ja noch, aber Ihre Birke steht exakt im Weg!“ Soviel zur professionellen Mastkonstruktion.

Das Problem mit der Kettensäge zu lösen, kam schon aus gartengestalterischen Gründen nicht in Frage. „Großkronige Bäume“ im Landschaftsschutzgebiet zu fällen, kostet bei uns außerdem hohe Ausgleichszahlungen oder verpflichtet zu Neupflanzungen. Weil es sich um eine dreistämmige Birke handelte, hätte ersteres zu Forderungen geführt, die die Kosten des ganzen Internet-Equipments inklusive Netzwerktechnik, Empfangsanlage, Server, Outdoor-EAP und allen Kameras um das Dreifache überschritten hätten. Und für Großbäume einfach mal einen Ersatz-standort auszumachen, ist auch bei größeren Gärten problematisch. Ganz abgesehen davon wären auf jeden Fall ein Antragsverfahren und ein Beamtenbesuch fällig gewesen. Und einfach mal machen? Merkt doch keiner. Von wegen. Die Umweltbehörden kontrollieren hier regelmäßig Satellitenfotos und führen Überflüge durch.

Ich beschreibe dies so ausführlich, weil der Satelliten-Sichtfaktor den Business-Kunden der Satellitenanbieter nach Auskunft des Monteurs genau so oft entgeht wie Privatkunden, und weil viele der hier mitgedachten Einsatzorte Umweltregeln unterliegen. Bei Machbarkeitsstudien sollte deshalb früh geprüft werden, wie es am Projektort um die Sichtachse zum Satelliten steht. Lagen in Tälern brauchen zuweilen entfernt angebrachte Schüsseln mit langer Kabel- oder Richtfunkanbindung. In unserem Fall fand sich schließlich an der Ostwand eine Position, die geeignet war.
Von diesem Moment an war die Installation einfach. Die Schüssel-Ausrichtung wird bei Filiago mit einen Messgerät erledigt, das die Qualität der Verbindung mit einem an- und abschwellenden Ton anzeigt. Der Monteur hat so die Hände frei und muss beim Feinjustieren auch nicht immer wieder auf eine Anzeige schauen.

Nach etwa 90 Minuten war die Montage beendet und der Monteur wieder fort. Neugierig wurden zum ersten Mal der Router angeschlossen, ein WLAN aufgebaut und Kontakt mit dem Internet aufgenommen. Beim Surfen fiel zunächst nichts auf. Der Wunsch allerdings, bei dieser hoch erfreulichen Gelegenheit auch schnell mal eine fällige Banktransaktion zu erledigen, führte prompt zu einer Maßregelung: „Dieser Vorgang ist aus dem Ausland nicht möglich.“

Ausland? Ja, richtig, für die Internet-Infrastruktur saß ich nun dort, wo der Satelliten-Downlink ankam, und das war nach einem schnellen Check London, direkt am Themse-Ufer, damals wenigstens noch ein Ort in der Europäischen Union. Dieses Ereignis lehrt, das professionelle Nutzer mit diesem Phänomen möglicherweise verbundene Compliance-Fragen frühzeitig klären sollten.

Im nächsten Beitrag geht es mit technischen Details und dem Anwendungsfall „Videoüberwachung“ weiter. Eines allerdings sei schon vorab verraten: Das Fernsteuern eines PCs im Haus gelang auf Anhieb. Latenzprobleme fielen nicht auf. Eine „Pan and Tilt“-Kamera allerdings machte Probleme – deren Lösung dann allerdings in einem ganz anderen Bereich lag als im Satellitenverfahren an sich.

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  1. Fernzugriff mit Weltraum-Latenz
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