Was bei Fleisch und Gemüse funktioniert, kann auch für die Daten nicht schlecht sein. Ganz nach dieser Logik empfehlen viele selbsterkorene Datenrettungsexperten in Foren das Einfrieren defekter Speichermedien. Nach einigen Stunden sollen sie dann angeblich wieder für einige Zeit funktionieren, so dass man die darauf gespeicherten Datenschätze noch schnell in Sicherheit bringen kann, bevor der Speicher dann endgültig das zeitliche segnet.
Eine der häufigsten Begründungen für diese Empfehlung ist, dass sich durch die frostigen Temperaturen bei konventionellen Festplatten das so genannte »Lubrikant«, ein knapp zwei Nanometer dünner Schmiermittelfilm auf der Oberfläche der Magnetscheiben, so verflüssigen soll, dass festsitzende Leseköpfe wieder befreit werden. Auch wenn diese Theorie chemisch nicht völlig falsch ist, so muss doch festgehalten werden, dass die Glasübergangstemperatur des üblicherweise als Lubrikant genutzten »Perfluoropolyether« zwischen -60 und -120 Grad Celsius liegt. Um den Festigkeits-Zustand des Polymers tatsächlich zu verändern, reicht eine Haushaltsgefriertruhe somit bei weitem nicht aus. Zudem müsste die Festplatte dann während des gesamten Auslesevorgangs, beispielsweise durch ein Bad in flüssigem Stickstoff, auf dieser Temperatur betrieben werden, was wiederum anderweitige fatale Folgen für das empfindliche Gerät hätte. Zudem führt das Einfrieren von Festplatten zur Bildung von Kondensation auf den Magnetscheiben, wodurch ein fehlerfreies Auslesen unmöglich gemacht wird.
Bei Flash-Speichern wird oft behauptet, dass sich unterbrochene Leiterbahnen oder zerbrochene Chips durch das Einfrieren so zusammenziehen, dass sie wieder für eine kurze Zeit nutzbar sind. Auch hier führt die Kälte jedoch in der Praxis lediglich dazu, dass sich durch die Kondensation Feuchtigkeit auf den elektronischen Bauteilen bildet und bei Inbetriebnahme weitaus eher zu einem fatalen Kurzschluss der Platine als zu einer Rettung der Daten führt.
Obwohl es in ganz seltenen Fällen gelingen kann und in speziellen Verfahren auch von professionellen Datenrettern praktiziert wird, ist das heimische Einfrieren defekter Datenspeicher in der Praxis einer der sichersten und häufigsten Wege, noch mehr kaputt zu machen. Wer eine realistische Chance auf die Rettung seiner Daten haben will, sollte sie also auf keinen Fall auf Eis legen. Besser ist es, sich mit ein paar Eiswürfeln aus dem Gefrierfach erstmal einen Drink zuzubereiten um die Nerven zu beruhigen und sich mit mehr Besonnenheit eine sinnvollere Rettungsstrategie zu suchen.