Aber noch immer sind viele Betriebssysteme oder Software-Programme bei Unternehmen und Behörden im Einsatz, obwohl sie bereits seit einiger Zeit von Herstellern nicht mehr unterstützt und daher nicht mehr mit Updates versehen werden. Der Patch zum „Stopfen“ der WannaCry-Lücke war sogar knapp zwei Monate verfügbar – in der Praxis benötigen Unternehmen teilweise aber sogar über 100 Tage, bis sie eine Gegenmedizin verabreichen. Was auf den ersten Blick fahrlässig wirken mag, hat in vielen Fällen handfeste Gründe. Anders ausgedrückt: Es ist nicht immer so einfach, wie es aussieht.
Es gibt viele Bereiche und Branchen, in denen Rechner nicht „mal eben schnell“ heruntergefahren werden können – darunter eben auch Unternehmen und Behörden, wie sie in diesen Fällen betroffen waren. Anwender, egal ob am Arbeitsplatz oder am heimischen Rechner, kennen das Problem ebenfalls: Updates kosten Arbeitszeit und manchmal auch Nerven, besonders wenn es nach dem Einspielen der Patches zu Problemen kommt. Was dazu geführt hat, dass IT-Verantwortliche dem Testen von Patches vor dem Einspielen große Bedeutung zumessen.
Prozesse überdenken
Daher ist es nötig, einen Perspektivenwechsel vorzunehmen – weg von der IT hin zu den in vielen Unternehmen und Behörden vorherrschenden Prozessen und Gepflogenheiten in Sachen Kommunikation. Sie sind offenbar ein Teil des Problems und machen bestimmte Bereiche so angreifbar.
In Sachsen-Anhalt beispielsweise hatte ein Landtagsmitarbeiter die Schad-Software aktiviert, als er den Anhang einer E-Mail öffnete; er hatte geglaubt, dass er sich die E-Mail selbst weitergeleitet habe – als Absender soll sein eigener Name angegeben gewesen sein. Der Gesundheitssektor wiederum, der wegen verschiedener Ransomware-Vorfälle schon mehrfach die Schlagzeilen bestimmte, hat beispielsweise Eigenheiten wie „Makros“ in Office-Programmen, die in Krankenhäusern in der Regel aktiviert sind.
Und nun die gute Nachricht: Es ist nur eine kleine Stelle, an der die Prozesse in vielen Unternehmen und Behörden anders gehandhabt werden müssten, um Einfallstore zu schließen und das Schutzniveau zu erhöhen – damit eingehende E-Mails eben keinen Teufelskreis auslösen.
Einfallstore schließen
Es genügt eine einfache und schnell umzusetzende Maßnahme: die Umstellung der internen Workflows und der Einsatz entsprechender Lösungen, die dafür sorgen, dass vorab definierte Dateitypen erst gar nicht per E-Mail angenommen werden können. Wenn sie stattdessen beim Empfänger-Unternehmen über dessen eigene Web-Anwendung abrufbar sind, haben Robots aufgrund vorhandener Authentifizierungsmaßnahmen keine Chance, Schadcode zu verbreiten. Verschiedene Sicherheitsstufen machen so den Angreifern – die möglichst anonym möglichst viele Rechner angreifen möchten – das Leben schwerer.
PS: Auch wir raten generell davon ab, Lösegeld zu zahlen. Denn zum einen ist ohnehin fraglich, ob die Betroffenen nach Zahlung des Lösegelds auch wirklich wieder an ihre gesamten Datensätze herankommen. Zum anderen bestätigt das Cyber-Kriminelle nur darin, dass ihr Geschäftsmodell funktioniert, und sie erhalten zusätzliche finanzielle Unterstützung. Vielmehr sollten Betroffene die Polizei einschalten.
Dominik Lehr ist Gründer und Geschäftsführer von Befine Solutions