funkschau: Mit welchen Innovationen beschäftigen sich die Ingenieure bei Rohde & Schwarz aktuell?
Gerald Tietscher: Auf einen Satz lässt sich das nicht reduzieren, aber ich möchte einige Beispiele nennen: Ganz vorne mit dabei sind wir unter anderem im Bereich der Messtechnik für Mobil-funkstandards wie LTE und LTE-Advanced. Dies trifft nicht nur auf unsere Signalgeneratoren zu, sondern auch auf unsere Protokolltester und unsere Signal- und Spektrumanalysatoren. Letztere werden übrigens heute schon per Touchscreen bedient, auch ein spannendes Feld für Software-Entwickler. Außerdem haben wir vor Kurzem unsere ersten Oszilloskope auf den Markt gebracht. Das Herzstück vieler unserer Geräte sind dabei unsere proprietären Chips, die aus unserer eigenen ASIC-Entwicklungsabteilung stammen.
funkschau: Könnten Sie den Begriff LTE-Advanced genauer erklären um unseren Lesern einen Einblick in die Materie zu geben?
Gerald Tietscher: LTE-Advanced zählt schon zu den Mobilfunkstandards der vierten Generation. Geräte dieser Generation müssen bestimmte Anforderungen erfüllen. So muss ein 4G Handy beispielsweise eine maximale Datenrate von bis zu 1 GBit/s im Downlink erreichen. Diese höhere Datenrate realisiert man bei LTE-Advanced unter anderem durch zwei technische Erweiterungen.
Eine dieser Möglichkeiten nennt sich „Carrier Aggregation“. Hier kombiniert man einzelne, individuelle LTE-Träger um eine Gesamtbandbreite von bis zu 100 MHz zu erreichen. Der große Vorteil hierbei ist, dass die einzelnen LTE-Träger nicht direkt nebeneinander liegen müssen, sondern im Frequenzbereich verteilt sein können. Die Erweiterung der bei LTE maximalen Bandbreite von 20 MHz auf 100 MHz pro Träger hätte auf die Datenrate bezogen den gleichen Effekt, wäre aber nicht sinnvoll, da kein Netzbetreiber ein entsprechend breites, zusammenhängendes Frequenzband zur Verfügung hat. „Carrier Aggregation“ wirkt damit dem Grundproblem vieler Netzbetreiber entgegen, nämlich nicht über genügend zusammenhängendes Spektrum zu verfügen, um den Nutzern eine entsprechende Steigerung der Datenrate anbieten zu können.
Die zweite Möglichkeit ist das „MIMO“ (Multiple Input Multiple Output). Hier versucht man mit mehreren Sende- und Empfangsantennen räumliche Diversität zu schaffen und so eine höhere Datenrate zu erzielen. Bei LTE-Advanced wird dieses von LTE bekannte Prinzip von zwei auf bis zu acht Sende- und Empfangsantennen erweitert. Theoretisch verdoppelt sich bei doppelter Anzahl an Sende- und Empfangsantennen auch die Datenrate. In der Praxis ist es jedoch komplizierter, da verschiedene Randbedingungen existieren. Beispielsweise die Position der Antennen zueinander. Es ist unmöglich solch ein Produkt zur Marktreife zu führen, ohne es vorher im Labor mit entsprechender Messtechnik zu verifizieren.
funkschau: Wie begegnen Sie der Herausforderung „technologischer Vorsprung“?
Gerald Tietscher: Wir versuchen immer, unsere Produkte und unsere Arbeit aus der Perspektive unserer Kunden zu betrachten. Der direkte Austausch mit den Anwendern erlaubt es uns, konzeptionell zukünftige Bedarfe vorwegzunehmen. Wesentlich für unseren technologischen Vorsprung ist zudem die intensive Verzahnung des Know-hows unserer einzelnen Unternehmensbereiche, beispielsweise indem die einzelnen Abteilungen auf internen Firmenmessen ihre neuesten Projekte vorstellen. So treffen wir seit vielen Jahren die Erwartungen des Marktes.
funkschau: Wie schätzen Sie die Zukunft in Ihrem Bereich der Softwareentwicklung ein?
Gerald Tietscher: Im Bereich Mobilfunk sehen wir einen deutlichen Trend hin zu „Software Defined Radio“ (SDR), wie wir es von den Signalgeneratoren schon länger kennen. Das heißt, man nutzt eine universelle und flexible Hardware, die rein über Software geregelt wird – es ist also gleichgültig, ob man mit einem Mobiltelefon UMTS, LTE oder WLAN nutzt. Speziell für Software-Entwickler ist das ein spannender Aspekt, denn dadurch wächst die Bedeutung von Software. Es zeigt außerdem, dass es möglich ist, die Datenrate zu steigern, ohne dass die Leistung der Hardware im selben Ausmaß mitwachsen muss. Für Software-Entwickler, gerade im Bereich der Signalgeneratoren, wird sich in Zukunft also alles um eine effiziente Softwarestruktur drehen. Da sich Kunden nicht jährlich ein neues Gerät kaufen, müssen ihre Wünsche und Anforderungen frühzeitig erkannt und die Gerätesoftware dahingehend entwickelt und angepasst werden.