Nicht alle IT geht in die Cloud, aber alle IT soll wie die Cloud sein. Dies schien lange unmöglich. Nun zeichnen sich Wege dorthin ab – geschlossene und offene.
Begibt sich ein großer Reiseveranstalter selbst auf eine große Reise, lässt das aufhorchen – zumal wenn das Reiseziel die Cloud ist: Anfang des Jahres verkündete Elke Reichart, Chief Digital Officer der TUI Group, der Konzern werde seine 20 Rechenzentren bis 2023 schließen, den IT-Betrieb komplett an Amazon auslagern und sich zur „technology company powered by AWS“ wandeln. Fast könnte man glauben, Nicholas Carrs These vom Verschwinden der Unternehmens-IT aus dem Jahr 2003 würde sich doch noch bewahrheiten.
Doch die Realität sieht anders aus: Zwar entwickeln IT-Organisationen in der Tat neue Applikationen bevorzugt für den Cloud-Betrieb. Zugleich aber hat leidvolle Erfahrung gezeigt, dass sich eine Vielzahl von Unternehmens-Workloads der Migration in die Public Cloud verweigert. So liegt der Anteil traditioneller IT am Gesamt-IT-Infrastrukturmarkt laut IDCs Cloud IT Infrastructure Tracker nach wie vor bei rund 50 Prozent; Bis 2023 soll der Anteil der Public Cloud auf circa 38 Prozent steigen, die Private Cloud soll 20 Prozent der IT-Infrastrukturverkäufe ausmachen. Das bedeutet: Auch in vier Jahren läuft der Großteil der IT-Infrastruktur nicht in der Public Cloud (siehe Balkendiagramm).
Widerspenstigkeit der Unternehmens-IT
Neben den bekannten Hindernissen – Compliance, Bedenken wegen der Datenhoheit etc. – macht vor allem die „Schwerkraft der Daten“ manche Cloud-Strategie zum Wolkenkuckucksheim: Applikationen zieht es auf geradezu magische Weise an den Ort, an dem die Daten anfallen. In der Industrie 4.0 zum Beispiel muss man Sensordaten von Anlagen aus Kosten- und/oder Latenzgründen vor Ort auswerten. Gartner sieht sogar eine neue dezentrale Ära anbrechen, in der 75 Prozent der Daten direkt am Edge – am Netzwerkrand, in unmittelbarer Nähe der Datenquelle – verarbeitet werden.
Die Hyperscaler haben die Zeichen der Zeit erkannt und dehnen ihre Angebote bis an den Netzwerkrand aus. Regionale und branchenspezifische Service Provider wiederum sehen in der Pendelbewegung Richtung Edge ihre Chance, sich gegen die Cloud-Giganten zu behaupten, kann man doch hier – vor Ort – lokale Expertise und Kundenbindung nutzen. Das Ergebnis der Entwicklungen ist jedoch stets eine hybride IT aus Cloud-, Edge- und traditioneller IT – oft eine Kompromisslösung angesichts der Komplexität, zu der das führen kann.