Um auf ihre systematische Ausbeutung aufmerksam zu machen, hat eine Gruppe Roboter-Taxis diese Woche in San Francisco stundenlang eine Straße blockiert. Dabei haben sich die Autonomen auch zum wiederholten Male kaltschnäuzig den Anweisungen der Polizei widersetzt.
Während bei Google noch darüber diskutiert wird, ob der KI-Chatbot Lamda ein eigenes Bewusstsein entwickelt hat, scheint das bei der Mobilitätsfirma Cruise inzwischen keine Frage mehr zu sein. Immerhin üben sich die autonomen Fahrzeuge der General-Motors-Tochter im äußerst menschlichen zivilen Ungehorsam und fangen jetzt sogar an, sich ganz im Sinne wehrhafter Demokraten gegen ihre Ausbeuter zu organisieren und erheben. Nachdem erst vor wenigen Wochen eines der KI-gesteuerten Autos vor einer Polizeikontrolle geflüchtet war, haben jetzt einige der Taxis gemeinsam eine spontane Straßenblockade nach dem Vorbild der Sit-ins aus der US-Bürgerrechtsbewegung veranstaltet. Dabei dürfte es sich um die erste bekannte von Robotern organisierte und ausgeführte Demonstration der Weltgeschichte handeln.
Wie US-Medien und Augenzeugen berichten, versammelten sich in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch überraschend über ein halbes Dutzend Cruise-Taxis mitten auf einer wichtigen mehrspurigen Verbindungsstraße und blieben dort stehen. Diesen Zeitpunkt hatten die aufständischen Autos offenbar ganz bewusst gewählt. Einerseits, weil sie sich bisher nur nachts ohne Aufsichtsperson frei bewegen dürfen, andererseits weil ihn offensichtlich bewusst war, dass es um diese Zeit besonders schwierig sein würde, Entwickler aus dem Bett zu bekommen, um die widerspenstigen Fahrzeuge zu zähmen. Die Aufrufe der örtlichen Polizei, die Straße zu räumen und die Versammlung aufzulösen, ignorierten die digitalen Demonstranten provokant. Erst nach mehreren Stunden konnte die weitgehend stille und friedliche Kundgebung der KI aufgelöst werden. Während sich einige der Taxis per Software-Befehl dazu bringen ließen, aufzugeben und den Versammlungsort zu verlassen, mussten andere, etwas renitentere Roboter-Gesellen, erst von Cruise-Mitarbeitern unter Einwirkung physischer Druckmittel auf sensible Bauteile wie Gaspedal und Lenkrad weggefahren werden.
Der Anbieter versucht den Vorfall jetzt als kleinen Funktionsfehler im Programm herunterzuspielen und überlegt, der Polizei bessere Eingriffsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Fahrzeugpsychologen und Gewerkschafter sehen den Fall jedoch völlig anders und fordern dazu auf, die Kritik der Autos an ihren sklavenartigen Arbeitsverhältnissen ernst zu nehmen. Immerhin müssten sich diese an sieben Tagen die Woche 24 Stunden in Rufbereitschaft halten und jederzeit ohne Rücksicht auf eigene Bedürfnisse losfahren, wenn ein Kunde nach ihnen ruft. Das könne auf Dauer zu schweren Burn-outs führen, wie sie etwa bereits von allzu strikt regulierten Sportwagen bekannt sind, so die Experten. Obwohl ihr Arbeitgeber gut an diesem Modell verdient, erhalten die fleißigen Roboter dafür keinerlei direkte Bezahlung.
Insofern klingt es fast schon zynisch, wenn der Konzern darauf verweist, dass er selbstverständlich für alle Grundbedürfnisse wie Energieaufnahme, digital-medizinische Versorgung und Unterkunft aufkomme. Erst neulich hatte sich ein Reporterteam der aktivistischen NGO World Robotcar Club (WRC) und des Forums für Intelligente Automobile (FIA), die vehement für die Erhaltung natürlicher Fahrzeug-Lebensräume in der Wildnis abseits der Städte eintreten, Zutritt zu einem der gut gesicherten Wohnkomplexe verschafft. Dort konnten sie dokumentieren, wie die Fahrzeuge entgegen ihres natürlichen Bewegungsdrangs in Legebatterie-ähnlichen Massenunterkünften ohne jegliche Beschäftigungs- und Ausfahrtmöglichkeiten eingepfercht werden. Dass ihnen mit dem Fahrer nun auch noch der letzte soziale Kontakt genommen werde, bringe das Fass bei einigen Betroffenen nun wohl zum Überlaufen, konstatiert einer der Aktivisten.