Regionale Rechenzentren

„Das Ziel ist die vollständige Abwärmenutzung“

30. November 2023, 14:00 Uhr | Interview: Lukas Steiglechner
© nLighten

Christian Zipp, Chief Sales Officer des RZ-Betreibers nLighten, gibt im Interview mit connect professional Einblick, warum es in Deutschland eine regionale Verteilung von Datacenter braucht, wie sich ein Nachhaltigkeits-Konzept gestalten lässt und warum Edge Computing die Zukunft bestimmt.

connect professional: Herr Zipp, inwiefern will sich nLighten von anderen Rechenzentrumsbetreibern absetzen?

Christian Zipp: Es gibt bereits viele Datacenter-Anbieter in Deutschland. Viele davon in Frankfurt. Aber viele Kunden sitzen ganz woanders. Darum haben wir unsere Rechenzentren in den verschiedenen Regionen, um möglichst viel Fläche abzudecken und Latenzen zu verringern.

Ein zweites Merkmal ist die Kopplung der Datacenter mit dem Energiesektor. Denn ein Rechenzentrum hat erstmal eine große Aufnahme von Strom. Darum macht es Sinn, mit der resultierenden Abwärme die umliegenden Städte zu versorgen. Wasser- und Energieversorger sind hier integraler Bestandteil.

Ein weiterer Teil ist die Vernetzung. Denn Datacenter in weitläufigen Regionen müssen extrem gut vernetzt sein, um effektiv zu arbeiten. Dabei ist es auch wichtig, ein Ökosystem aufzubauen mit den verschiedenen Anbietern, Kunden und Partnern.

connect professional: Über wie viele Standorte verfügen Sie aktuell in Deutschland?

Zipp: Aktuell zehn. Die sind in ganz Deutschland verteilt und verfügen über eine Leistungskapazität zwischen 600 kW und 1 MW. In einer zweiten Phase schaffen wir drei neue RZ-Standorte mit drei bis vier MW Leistung. Für alle Standorte geben wir sechs Millisekunden als Richtwert für die Latenzzeit vor.

connect professional: Sind dann bereits weitere RZ-Standorte in Europa in Planung?

Zipp: Deutschland ist der Startpunkt. Wegen der dezentralen Städtelage haben wir hier begonnen. Aber in Frankreich haben wir jetzt die Firma Euclyde gekauft. Das sind sechs Rechenzentren, verteilt in Frankreich. Anfang September haben wir zusätzlich zehn Rechenzentren von Proximity in Großbritannien übernommen. Wir schauen noch nach weiterem Footprint in Europa. Da sind neuralgische Punkte, wo wir unser Konzept in dieser Konstellation weiterführen können. Dabei analysieren wir, was die wichtigsten Märkte in Europa sind und wo so eine Struktur ähnlich passen könnte.

connect professional: Sie sprachen von einer Kopplung der Rechenzentren mit dem Energiesektor. Wie soll das bei Ihnen konkret aussehen?

Zipp: Wir haben ein Konzept für das Energiemanagement, das drei Bereiche adressiert: Abwärmenutzung, Kühlung und erneuerbare Energien. Wir wollen dabei die Abwärme an die Gemeinden abgeben. An unserem Standort in Eschborn haben wir das bereits gestartet. Aktuell haben wir zudem noch sechs andere Städte im Visier, in denen ähnliche Konzepte möglich sind. Das ist für uns ein Standard: Wo Abwärme genutzt werden kann, muss sie nicht verpuffen.

connect professional: Und wie viel Prozent Ihrer Abwärme verwenden Sie beispielsweise in Eschborn weiter?

Zipp: Aktuell sind wir da im oberen Drittel. Das Ziel ist aber die vollständige Abwärmenutzung.

connect professional: In Eschborn nutzen Sie die Abwärme ja auch für die Beheizung eines Schwimmbads. Planen Sie noch weitere Use Cases abseits von Fernwärmenetzen? Wären auch industrielle Anwendungen wie Urban Farming oder Algenfarmen für Sie denkbar?

Zipp: Absolut. Wir sind da offen. Aktuell eruieren wir an sechs Standorten, was dort Sinn macht. Wir arbeiten da von Fall zu Fall und immer je nachdem, was möglich ist.

connect professional: Was sind denn die wichtigsten Partner für solche Projekte?

Zipp: Das ist variabel. Aber man braucht natürlich immer die Unterstützung der Behörden und auch von der Stadt selbst.

connect professional: Sie haben die Kühlung als einen wichtigen Bereich angesprochen. Auf welche Kühltechnologie setzen Sie dann? Auf Wasserkühlung?

Zipp: Nein, wir verbrauchen kein Wasser für die Kühlung. Wir kühlen teilweise mit Luft und zum anderen mit Flüssigkühlung, die nicht mit Wasser betrieben wird.

connect professional: Wie viel Ihrer Energieversorgung stammt aus erneuerbaren Energien?

Zipp: Zwei Drittel sollten wir darüber abfedern können. Mittelfristig soll das aber natürlich bei 100 Prozent liegen. Dabei nutzen wir nicht Zertifikate, sondern beziehen den Strom aus erneuerbaren Quellen in der Region. Das managen wir über ein Energie-Center, was wiederum das Stromnetz stabilisieren soll.

connect professional: Verändern sich dann Ihre Energiequellen je nach Region?

Zipp: Das ist genau der Punkt. Je nach Region bieten sich andere Möglichkeiten und Ressourcen an. Deswegen arbeiten wir mit Partnern in den Regionen zusammen und nutzen die dortige Energieversorgung.

connect professional: Warum setzen andere Betreiber noch nicht solche Nachhaltigkeitskonzepte um?

Zipp: Ich kann natürlich nicht für andere sprechen und weiß nicht, woran es bei anderen Betreibern hapert. Aber man muss dabei auch unterscheiden, ob es sich vielleicht um einen globalen Anbieter handelt, der eine globale Sicht auf sein Geschäft hat. Ein solcher Anbieter hat dann Rechenzentren in Asien, den USA und auch Europa. Da herrschen andere Prioritäten für einen globalen Service. Ein regionaler Anbieter, der nur in Deutschland agiert, kann sich besser mit Regularien auseinandersetzen und dann solche Konzepte besser umsetzen. Die Leistung der RZs spielt zudem eine Rolle. Es macht hierbei einen Unterschied, ob ich über 100 MW oder nur vier MW verfüge. Dementsprechend umzubauen und zu optimieren, ist oft eine schwierige Aufgabe.

connect professional: Wie kritisch sehen Sie dann das neue Energieeffizienzgesetz?

Zipp: Ich finde es wichtig, dass etwas in dieser Richtung passiert. Ich glaube nicht, dass es das Ende der Rechenzentren in Deutschland sein wird. Anbieter müssen jetzt neue Ideen überlegen und sich etwas anders ausrichten. Und ich glaube, dass neue Technologien dazu beitragen werden. Da braucht es Investitionen. Es passiert nicht durch Handauflegen, sondern man muss handeln.

connect professional: In Ihrem Konzept spielt Regionalität eine große Rolle. Nicht nur Frankfurt am Main ist wichtig, sondern auch andere Standorte, die in Deutschland verteilt sind. Dieses Jahr hat der DE-CIX einen neuen Internetknoten in Leipzig eröffnet. Spielen Ihnen solche Entwicklungen in die Karten?

Zipp: Der Internetknoten ist für alle lokalen Anbieter wichtig. Vor allem wegen der Neutralität ist das ein wichtiger Partner.

connect professional: Ist denn die Entstehung weiterer Internetknoten absehbar?

Zipp: Ich könnte es mir gut vorstellen. Denn die Bandbreite wächst und Anwendungen benötigen immer größere Datenpakete. Das hat auch zur Folge, dass Edge Computing immer relevanter wird. Riesige Datenmengen durch die gesamte Republik zu schippern, ist irgendwann nicht mehr tragbar. Das muss vor Ort verarbeitet und genutzt werden können.

connect professional: Sehen Sie künftig nLighten auch im Edge-Computing-Bereich?

Zipp: Ja, denn da geht die Reise hin. Unsere dezentrale Infrastruktur kann das auch bedienen. Ein Micro-Edge-Bereich umfasst die Latenzzeiten zwischen fünf und zehn Millisekunden. In unseren Datacentern ist sechs Millisekunden die Vorgabe. Daher können wir zeit- und latenzkritische Applikation abdecken. Bereiche wie autonomes Fahren, Augmented und Virtual Reality sowie Gaming sind auf Schnelligkeit angewiesen. Da setzen wir mit unserem regionalen Edge-Konzept an. Und die Use Cases hören da nicht auf. Von Security über Collaboration bis hin zum Videostreaming sind viele Anwendungen zeitkritisch.

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