Bei der Tool-Auswahl hilft eine kleine Eselsbrücke aus den drei „A“: Anpassungfähigkeit, Administration und Automatisierung sowie aus den zugehörigen Checklistenfragen.
Anpassungsfähigkeit: Die IT-Infrastruktur der Unternehmen gibt weitgehend vor, was die BaaS-Lösung können muss. Entsprechend flexibel und vielfältig einsetzbar sollte die zum Einsatz kommende Software sein. Zum Start der Evaluation ist die Frage nach der Betriebsumgebung relevant: Lässt sich die Software für virtuelle Server mit Microsoft Hyper-V oder VMware vSphere genauso einsetzen, wie für physische Server in einer On-Premise-Welt? Außerdem sollte man der Frage nachgehen, wie die Lösung mit Microsoft 365 und Azure zurechtkommt und wie mit AWS und Google Cloud.
Ein weiterer Punkt ist das Betriebssystem, auf dem die IT-Infrastruktur laufen soll. Windows-Server und Linux-Maschinen stellen einen Standard dar, aber auch AWS Linux AMI oder der Einsatz auf Virtual Appliances sind möglich. Und schließlich haben auch die zu sichernden Anwendungen einen Einfluss auf den geforderten Funktionsumfang. Angesichts der eingangs beschriebenen zunehmenden Komplexität von IT-Infrastrukturen mit immer häufiger einem hybriden Cloud/On-Premise/Virtual-Charakter lohnt dort ein besonders genauer Blick auf die Anbieter und ihre Fähigkeit, eng an neuen Entwicklungen zu bleiben. Ist sie beispielsweise in der Lage, Microsoft-365-Instanzen sowie deren Unteranwendungen wir Exchange, Teams, SharePoint und OneDrive zu sichern und feingranular bis auf Objektebene im Self-Service wiederherzustellen? Ebenso sind Anhaltspunkte zu infrastrukturrelevanten Anwendungen wie dem VMware Cloud Director von Bedeutung.
Für die Feature-basierte Evaluation der verfügbaren Backup-und-Recovery-Lösungen empfiehlt sich die Entwicklung eines detaillierten Pflichtenhefts. Mit seiner Hilfe können MSPs Featuresets vergleichen und die Funktionen entsprechend ihres anvisierten Kundenklientels gewichten.
Administration: Für MSPs zählen neben der Kernfunktionalität einer Backup- und Recovery-Lösung noch weitere administrative Faktoren. Mehrmandantenfähigkeit (Multi-Tenancy) gehört hier ganz oben auf die Liste. Denn schließlich wollen MSPs für möglichst viele Unternehmen eine gemeinsame Infrastruktur bereitstellen, die dann den jeweiligen Service-Levels entsprechend und sicher separiert den Anwenderunternehmen zur Verfügung stehen kann.
Da nicht jedes Unternehmen die gleichen Anforderungen an Datensicherungskapazitäten hat, hilft eine Funktion zur Ressourcenallokation bei der effizienten Administration von Multi-Tenant-Instanzen. Administrationsteams sollten den Mandanten spezifische Hosts, Cluster, Virtual Machines, Backup Repositories und Transporter zuweisen sowie eine rollenbasierte Zugriffskontrolle und Rechte im Self-Service-Portal implementieren können. Ein regelmäßig vorkommendes Ärgernis für die Remote-Administration durch MSPs ist die Notwendigkeit, für die Verbindung zu den hauseigenen Systemen der Mandanten VPN-Verbindungen konfigurieren und unterhalten zu müssen. Funktioniert das VPN aus welchem Grund auch immer nicht, leidet die Service-Qualität, weil sich beispielsweise Item-Level-Recovery-Aufgaben unnötig verzögern. Dann können alternative Verbindungen, wie zum Beispiel „Direct Connect for MSPs“ aus dem Hause Nakivo, helfen, die ohne ein VPN auskommen und über einen definierten Port eine durch ein Verschlüsselungszertifikat abgesicherte Direktverbindung schaffen.
Ein oft wenig beachteter Aspekt der Administration von Backup-Angeboten ist das Lizenz-Management und die damit einhergehenden Kosten. Dabei kann es gerade im Managed-Services-Umfeld den Unterschied zwischen angemessener Gewinnmarge der Services und Verlustgeschäft ausmachen. Schließlich liegt es in der Natur moderner IT-Infrastrukturen, dass sie sehr schnell und sehr dynamisch wachsen und schrumpfen können. Das Lizenzmodell des Softwareanbieters sollte diese Dynamik mitgehen und sich flexibel an die Auftragslage anpassen können. Bei Microsoft-365-Backups beispielsweise sind Pro-User-Lizenzen üblich, für Server- oder VM-Backups erfolgt die Abrechnung häufig in CPU-Sockets oder in Workloads. Damit ein MSP Softwarelizenzen flexibel an seine Kunden vergeben kann, bietet sich ein „Licence Pooling and Delegation“-System an. Dieses stellt sicher, dass die Kosten für die Lizenzierungseinheiten berechenbar bleiben, während man die Lizenzen selbst nach Bedarf unkompliziert an neue oder expandierende Kunden vergeben kann.
Automatisierung: Fachwissen ist stets begrenzt, doch das MSP-Geschäft soll skalieren – der Schlüssel zum profitablen Betrieb von Backup- und Recovery-Services liegt schon deshalb auch im dritten Erfolgsfaktor, der Automatisierung. Ihre Aufgabe: Administratoren nach dem Prinzip „Set and Forget“ von wiederkehrenden Routinejobs zu befreien und dabei die Datensicherung so verlässlich wie möglich sicherzustellen. Automatisierung beginnt bei der Datenklassifizierung, die Teil jeder Backup-Strategie sein sollte. Stunden- oder gar minutenaktuelle Produktionsdaten benötigen dicht getaktete RPOs (Recovery Point Objective), archivierungspflichtige Altdaten nicht.
Manche Datenbanken ändern sich ständig, manche Exchange-Instanzen nur ab und zu. Wenn die Backup-Software eine Konfiguration von Backup-Plänen nach Anwendungs- oder Dateityp und nach Filterkriterien wie „zuletzt geändert vor … Minuten“ erlaubt, ist schon die Basis gelegt. Die klassifizierten Daten fließen dann in passende Zeitpläne, die die nach MSP-Service-Level gebuchten RPOs und RTOs (Recovery Time Objective) abbilden. Was einmal läuft, muss ein Administrator so schnell nicht mehr anfassen. Läuft das Backup, ist die regelmäßige Prüfung der tatsächlichen Wiederherstellbarkeit der Backups ein weiteres Einsatzgebiet für die Automatisierung.
Fazit
Oberflächlich betrachtet mögen Backup und Replikation eher zu den Standarddienstleistungen von Managed-Service-Providern gehören. Doch sollte dieser Überblick zu einer systematischen, bedarfsorientierten und an Administratorproduktivität und Wirtschaftlichkeit ausgerichteten Auswahl einer MSP-fähigen Software gezeigt haben, dass es sich lohnt, ins Detail zu gehen. Denn ist eine Lösung erst einmal im Einsatz, sind Kurskorrekturen nur mit erheblichem Aufwand umzusetzen. Gerade weil Datensicherung eine unverzichtbare Standardanwendung ist, für die Anwenderunternehmen jedoch aus eben dem Commodity-Argument heraus besonders preissensibel sind, ist das 3-A-Prinzip für die Softwareauswahl zu guter Letzt auf die Wirtschaftlichkeit ausgerichtet. Hier verhält es sich am Ende wie so häufig im IT-Geschäft: Die ideale Lösung, die alle erforderlichenKriterien erfüllt, gibt es nicht. Wohl aber gibt es eine bestmögliche.
Sergei Serdyuk ist Vice President of Product Management bei Nakivo.