ICT CHANNEL: Was könnten auf der anderen Seite die Hersteller und Erstkäufer unternehmen, um Refurbishern die Verlängerung der Lebenszyklen ihrer Geräte zu erleichtern? Bereitet Ihnen hier etwa der Trend zum Verkleben von Komponenten Probleme?
Büchle: Mobile first – das gilt auch für die Hardware-Produktion. Mobiler, leichter, dünner – so sollen die Geräte sein, und da bleibt Herstellern oft produktionsseitig keine andere Lösung als zu verkleben. Unsere Techniker und Technikerinnen haben viel Erfahrung und können auch verklebte Displays sauber austauschen. Aber im Grunde sind verklebte Geräte nicht für die Reparatur ausgelegt und damit von vornherein nicht-nachhaltig produziert. Das ist eine bedauerliche Entwicklung, die wir uns angesichts der weltweit rasant wachsenden Elektroschrottberge nicht mehr leisten dürfen.
Wir engagieren uns daher in Forschungsprojekten für nachhaltiges Design gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut, der Technischen Universität Berlin, Shift und weiteren Partnern, um zirkuläre Lösungen zu finden, die gleichzeitig den Mobilitätsansprüchen der User:innen gerecht werden.
Allerdings können auch die Anwender im ersten Lebenszyklus bzw. deren Arbeitgeber einen Beitrag für eine längere Gesamtlebensdauer für Produkte leisten. Zum Beispiel lässt sich eine Gravur im Laptop nicht mehr entfernen und mindert den Wiederverkaufswert des Gerätes eventuell soweit, dass es nicht mehr wirtschaftlich ist, das Gerät aufzubereiten und weiter zu vermarkten. Auch ist darauf zu achten, dass sich firmeninterne Aufkleber rückstandsfrei abziehen lassen und die Hardware bis zur Abholung durch uns sorgsam gelagert wird.
ICT CHANNEL: Wie hoch ist der Anteil der angekauften Hardware, die wiederverwertet werden kann? Was passiert mit dem Rest und wie können Sie sicherstellen, dass Daten und Hardware sicher und sauber entsorgt werden?
Büchle: Wir bearbeiten jährlich rund 500.000 IT- und Mobilgeräte von Unternehmen, wie Siemens, Boehringer Ingelheim und Otto, sowie von Behörden. Davon gelingt es uns etwa zwei Drittel zu vermarkten. Der Rest wird sortenrein zerlegt und an zertifizierte Recyclingbetriebe zur Rohstoffrückgewinnung überführt.
Datenschutz hat bei AfB höchste Priorität – das bestätigt uns auch die Zertifizierung unseres Informationsmanagementsystems mit der ISO 27001. Um einen höchstmöglichen Datenschutz – von der Abholung mit abgeschlossenen und versiegelten Transportbehältnissen bis hin zur zertifizierten Datenlöschung – garantieren zu können, verzichten wir auf Subunternehmer. Stattdessen setzten wir auf nach der DSGVO geschultes Personal, einen eigenen Fuhrpark, eigene Festplattenschredder sowie die weltweit anerkannte Löschsoftware von Blancco. Partnerfirmen erhalten zu jedem Gerät auditfähige Nachweise über die erfolgte Datenvernichtung.
ICT CHANNEL: Für wie stabil halten Sie den starken Aufwärtstrend der letzten zwei Jahre?
Büchle: Inwieweit die gewerbliche Nachfrage nach refurbished IT ein pandemiebedingter Trend bleibt, müssen wir abwarten. Ich persönlich denke, dass die Nachfrage nach guten Gebrauchtgeräten auch in Zukunft bleiben wird. Einerseits des wirtschaftlichen Vorteils wegen, da die Beschaffungskosten viel geringer sind als bei Neuware. Zum anderen legen auch KMU und Non-Profit-Organisationen immer mehr Wert auf nachhaltige Beschaffung. Wir sind jetzt auf die Refurbisher Version von Windows 11 gespannt. Aber auch mit Windows 10 – einem meiner Meinung nach sehr guten und stabilen Betriebssystem - können unsere Kunden noch bis Ende 2025 gut arbeiten und sind seitens Microsoft mit Updates und Sicherheitspatches versorgt.
ICT CHANNEL: Das von Ihnen angesprochene Windows 11 ist mit besonders hohen Anforderungen an die Hardware verbunden. Droht das dem Gebrauchtmarkt und den Preisen für nicht upgradefähige Geräte einen Dämpfer zu versetzen?
Büchle: Windows 10 ist ein verlässliches Betriebssystem, das für die Ansprüche der meisten Privatanwender oder auch Bildungseinrichtungen nach wie vor super geeignet und bis Ende 2025 absolut sicher ist. Ich kenne außerdem viele Unternehmen, auch größere, die erst gegen 2024 auf Windows 11 umsteigen wollen.
Natürlich wird sich die Nachfrage nach Geräten, die nicht Windows 11 fähig sind, in Richtung Windows-11-fähiger Geräte verschieben, was dann natürlich auch Auswirkungen auf den Preis hat. Dennoch gibt es viele Verbraucher, die es vorziehen, im privaten Umfeld mit dem ihnen bekannten Betriebssystem zu arbeiten, die die zusätzlichen Features durch Windows 11 nicht benötigen und dann vom niedrigeren Preis profitieren.
ICT CHANNEL: Welche Möglichkeiten gibt Microsoft den Refurbishern bei Windows 11 und wie können Sie und Ihre Fachhandels-Partner die Kunden davon überzeugen, dass die verbleibende Lebensdauer mit Windows 10 in vielen Fällen ausreichend ist?
Büchle: Wir sind auf den Start von Windows 11 im MAR-Programm vorbereitet und nach Launch quasi über Nacht mit einer breiten Produktpalette lieferfähig. Wer heute Windows 10-Geräte kauft, kann diese noch knapp vier Jahre bedenkenlos nutzen. Und wenn dann tatsächlich das „Ende“ naht, wird man bei AfB sicherlich für unter 200 Euro ein Windows-11-Gerät erhalten und kann durch uns auch direkt eine Datenmigration durchführen lassen.
Es ist zudem abzuwarten, inwiefern Microsoft die Supportlaufzeit tatsächlich gegen Ende 2025 einstellt, beziehungsweise doch vereinfachte Umstiegsmöglichkeiten anbietet – das hat es in der Vergangenheit schon gegeben und ist aus unserer Sicht nicht so unwahrscheinlich.
ICT CHANNEL: Hat sich das neue Modell von Microsoft mit MAR und Third-Party-Refurbishern gut eingespielt, oder gibt es hier aus Ihrer Sicht noch Nachbesserungsbedarf?
Büchle: In Deutschland gibt es gerade einmal fünf Microsoft Authorized Refurbisher– wir sind einer davon. Wir haben viele positive Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Third Party Refurbishern und dem digitalen Onboarding gemacht. Das neue Modell zeigt eine spürbare Verbesserung in Werkzeugen sowie in der Dokumentation auf. Microsoft ist sehr um ständige Optimierung bemüht. Die zeitgleiche Umstellung von COA Aufkleberlizenzen auf digitale Produktkeys bewerten wir ebenfalls positiv.