(lb) Seit rund 15 Jahren wird die Politik nicht müde, die Vorzüge der Digitalisierung im Behördenbereich zu propagieren. Theoretisch lassen sich mit »E-Government«-Lösungen zahlreiche Behördengänge online erledigen, was sowohl den bearbeitenden Beamten als auch den Bürgern und Unternehmen in erheblichem Maße Zeit und Geld sparen könnte. Doch was in anderen Ländern wie Großbritannien mit Verve vorangetrieben wird und in weiten Teilen inzwischen reibungslos funktioniert, kommt im Mutterland der Bürokratie nicht so recht vom Fleck. Noch immer stehen beispielsweise in München schon morgens lange Warteschlangen vor den Bürgerbüros, die eher an Szenen vor Supermärkten im kommunistischen Russland erinnern als an eine digitale Revolution. Wer einen einfachen Elterngeldantrag einreichen will, muss dazu ein Konvolut von rund 50 Seiten abgeben, von denen die meisten Daten wie Gehalts- und Steuerbescheide eigentlich bei anderen Behörden schon längst in digitaler Form vorliegen. Zudem gibt es große Unterschiede zwischen einzelnen Ländern, Bezirken, Kreisen und auch Städten, die ein flächendeckendes E-Government ad absurdum führen.
Kein Wunder also, dass auch die zwei großen Projekte der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) und des neuen Personalausweises (nPA) alles andere als erfolgreich sind. Sollte die eGK eigentlich schon seit zehn Jahren im Einsatz sein, steckt sie in der Realität weiterhin in den Kinderschuhen und wird zwischen technischen Hürden und Protesten aus Ärzteschaft, Bürgern, Datenschützern und Politik aufgerieben. Lediglich eine Handvoll Krankenhäuser und Ärzte erprobt derzeit, ob wenigstens der Online-Abgleich der Stammdaten nun funktioniert. Den nPA trägt zwar inzwischen fast die Hälfte aller Deutschen in ihrem Geldbeutel, allerdings haben nur etwa 30 Prozent auch die digitalen Funktionen freigeschaltet. Tatsächlich genutzt werden diese lediglich von einem einstelligen Prozentteil. Nur jeweils rund 100 kommerzielle und behördliche Dienste haben sich deshalb bislang überhaupt die Mühe gemacht und die aufwendige Zertifizierung für den digitalen Identitätscheck beim Bundesverwaltungsamt durchlaufen.