Mobilfunknetz

5G - Die Schöpfung eines Standards

8. Juni 2016, 10:44 Uhr | Autor: Bernd Theiss / Redaktion: Stefan Adelmann

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Listen Before Talk

Wer nun Angst bekommt, dass spätere Ausbaustufen von LTE (LTE-U: LTE in unlicensed Spectrum) und der 5G-Mobilfunk bald alle WLANs stören, sollte wissen, dass Abhilfemaßnahmen existieren. Etwa die in der EU vorgeschriebene Technik „Listen Before Talk“: Dabei achten die Kommunikationspartner darauf, nur freies Spektrum zu belegen. Diese Erweiterung des Mobilfunks im unlizenzierten Spektrum wird in absehbarer Zeit als LTE-LAA (Licensed Assisted Access) in LTE-Netze Eingang finden. Unter 5G soll die Art des genutzten Spektrums endgültig keinen Einfluss mehr auf das Netzwerkdesign haben, mehrere Netzbetreiber können sich dann auch lizenziertes Spektrum teilen.

Eine lange bewährte Möglichkeit um mehr Kapazität und Geschwindigkeit in Mobilfunknetze zu bringen, ist die Erhöhung der Zellenzahl. Jede Mobilfunkzelle hat eine bestimmte Bandbreite, die sich alle Nutzer müssen. Mehr Zellen bringen also mehr Bandbreite pro User. Deshalb werden schon jetzt in modernen Netzarchitekturen Basisstationen durch immer mehr kleine Zellen ergänzt, die zusammengefasst als Small Cells bekannt sind.

Im mobilfunktechnisch weit fortgeschrittenen Südkorea lässt sich die Wirkung der kleinen Zellen hervorragend beobachten. Hier sind etwa LTE-Small-Cells im Einsatz, die nur noch aus einer preiswerten Hochfrequenz-Sende- und Empfangseinheit bestehen; sie werden in Gruppen von über hundert an beliebigen Orten gesteuert – per Glasfaser und von nur einem Base-Station-Controller. Das hält die Kosten klein und ermöglicht es, auch Bandbreite an Orten zur Verfügung zu stellen, die herkömmliche, hochgelegene Basisstationen aufgrund von Funkschatten nicht erreichen können – etwa in Tunneln.

Beamforming und Multi-Hop

Die als Beamforming bekannte, gerichtete Strahlung wird unter LTE schon verwendet, um unter nicht idealen Bedingungen die Verbindungsstabilität zu erhöhen. In 5G-Netzen dürfte Beamforming massiv an Bedeutung gewinnen. Schafft es ein Antennensystem, einen Empfänger gezielt anzustrahlen, so kann es das gleiche Spektrum in eine andere Richtung wieder benutzen. Je gerichteter der einzelne Strahl ist, desto mehr Teilnehmern kann die Zelle ihre volle Bandbreite zur Verfügung stellen. Und wenn jemand schon mehr Bandbreite hat als er braucht, so kann er einen Teil davon anderen abgeben. Damit dient er dann als Repeater für Empfänger in ungünstiger Empfangslage – Multi-Hop nennt sich das. Damit Kunden mitmachen, darf der Energieverbrauch durch die zusätzliche Kommunikation nicht stark steigen. Dafür sorgen sollten die in engmaschigen Netzen geringere Sendeleistung und der bei schrumpfenden Halbleiterstrukturen schwindende Prozessorverbrauch.  

Small-Cells, Beamforming und Multi-Hop bringen immer mehr Funker in das selbe Frequenzband. Und der Feind einer schnellen, stabilen Übertragung ist die gegenseitige Störung einzelner Sender: die Interferenz. Diese so gering wie möglich zu halten, gehört zum wichtigsten Wissen jedes Netzbetreibers. Unter 5G werden dynamisch agierende, sich selbst organisierende Netzwerke von allein merken, wenn eine Zelle die andere stört. Dann können sie entscheiden, welche den Pegel reduzieren oder das Frequenzband verlassen muss. In Einzelfällen können zwei Zellen einen in der Mitte zwischen ihnen stehenden Nutzer auch synchron versorgen, um seinen Empfang zu verbessern. Kommt eine Zelle durch zu viele Teilnehmer in Kapazitätsnöte, kann sie sogar solche im Randbereich an eine weiter entfernte, aber
weniger ausgelastete Zelle weiterreichen.

Derartige Optimierungen werden die Zellen autonom und in Abstimmung miteinander bewerkstelligen. Möglich wird das, weil die ständig und schnell wachsende Rechenleistung auch äußerst komplexe Systeme denkbar macht. Der Mobilfunk profitiert davon besonders stark, schließlich stellt er eines der komplexesten Systeme dar, an denen viele Menschen gemeinsam arbeiten.

Und es sind auch Menschen, die mit dem ab 2020 erwartbaren technischen Fortschritt von 5G-Netzen heute noch undenkbare Sachen anstellen. Wissenschaftler und Ingenieure werden dann schon über 6G nachdenken.

Bernd Theiß ist Leiter Testlabor bei WEKA MEDIA PUBLISHING

Anbieter zum Thema

zu Matchmaker+

  1. 5G - Die Schöpfung eines Standards
  2. Listen Before Talk

Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu connect professional

Weitere Artikel zu Digital Workplace

Weitere Artikel zu Mobile Device Management

Matchmaker+