Gastkommentar

Cloud ist der Startpunkt, nicht das Ziel

12. März 2020, 9:30 Uhr | Autor: Rene Büst / Redaktion: Sabine Narloch
© berc / Fotolia

Viele Unternehmen arbeiten derzeit an der Umsetzung digitaler Enterprise-IT-Initiativen. Doch die Kür bestehe darin, die Cloud für Digital-Business-Initiativen zu nutzen, wie René Büst von Gartner in seinem Gastkommentar festhält.

Deutschland gilt als die europäische Wirtschaftsmacht. Dennoch erwartet Gartner in Deutschland bis 2022 lediglich ein Public Cloud Wachstum von 16 Prozent. Damit liegt Deutschland im Gartner-Ranking der „Cloud Laggards“ (relativ zu den USA) auf dem neunten Platz, hinter anderen europäischen Ländern wie Großbritannien, den Niederlanden, Polen und Frankreich. Tatsächlich ist der Cloud-Markt in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Märkten noch verhältnismäßig unreif. Gartners Research zeigt, dass

  • 55 Prozent der Unternehmen, die Cloud Services nutzen, keine Cloud-first-Strategie verfolgen,
  • 45 Prozent dem Cloud-Enablement beim Kauf neuer IT- oder digitaler Services den Vorrang geben,
  • 61 Prozent der Unternehmen interne Private Clouds bevorzugen – im Vergleich zu 43 Prozent, die Public Clouds nutzen,
  • 28 Prozent der Unternehmen planen, zukünftig interne Private Clouds zu nutzen, während 38 Prozent den Einsatz der Public Cloud planen.

Die Erklärung für dieses „Laggard“-Verhalten liegt klar auf der Hand. Deutsche Unternehmen, aber auch viele internationale Unternehmen, betrachten die Cloud als das Ziel ihrer Reise. Das ist jedoch eine falsche Annahme. Die Cloud ist der Startpunkt, um Unternehmen bei ihren digitalen Initiativen zu unterstützen. Die Herangehensweise an die Cloud muss daher überdacht werden. Dazu muss die Frage gestellt werden, welche digitalen Initiativen umgesetzt werden sollen, welche Lösungen dafür benötigt werden und wie die Cloud hierbei unterstützen kann.

Grundsätzlich gilt es, zwischen zwei Schwerpunkten digitaler Initiativen zu unterscheiden:  

  • Enterprise IT (bekannt als Digital Enterprise oder interne IT) – das „Cost Center“ und
  • Digital Business (externe IT) – das „Revenue Center”.

Viele Unternehmen arbeiten derzeit an der Umsetzung digitaler Enterprise-IT-Initiativen. Das bedeutet, sie nutzen die Cloud, um beispielsweise den Vernetzungsgrad der Mitarbeiter zu erhöhen und damit die Produktivität zu verbessern. Hierzu gehört auch mehr Flexibilität wie Home Office oder weltweit verteiltes Arbeiten sowie der schnellere Zugriff auf neue Applikationen via SaaS oder die Entwicklung neuer interner Applikationen. Diese und andere Vorteile fallen unter das Stichwort „Digital Workplace“. Keine Frage, die Enterprise IT ist wichtig und sie wird wichtig bleiben, damit Organisationen in der Lage sind zu arbeiten. Schließlich müssen E-Mails weiterhin gesendet und empfangen werden. Und unser Gehalt wollen wir auch pünktlich bekommen. Allerdings liefert der reine Cloud-Fokus auf der Enterprise IT keinen echten Wertbeitrag für Unternehmen. Dabei handelt es sich schlichtweg um die Pflichtübung beim Cloud-Einsatz.

Die Kür besteht hingegen darin, die Cloud für Digital-Business-Initiativen zu nutzen, um zum Beispiel über Digital Touchpoints interaktiver mit Kunden in Kontakt zu kommen, sie besser zu erreichen und zu verstehen. Als Antrieb für die digitale Wirtschaft werden Digital Touchpoints allgegenwärtig sein. Ein Digital Touchpoint wird durch die Umgebung definiert, in der die Endverbraucher direkt mit den Dienstleistungen eines digitalen Unternehmens interagieren. Ein Touchpoint kann jede Art von Interaktion mit einem digitalen Gerät, Produkt oder einer Dienstleistung sein. Beispiele hierfür sind Websites, Smartphone-Applikationen, virtuelle Assistenten, Augmented Reality (AR), Virtual Reality (VR), Chatbots, Wearables, Kioskterminals, Geldautomaten, Haushaltsgeräte und Autos sowie industrielle Lösungen wie zum Beispiel ein Roboterarm. Der Digital Touchpoint ist alles, was ein digitales Unternehmen nutzen kann, um eine Interaktion für und mit seinen Kunden zu schaffen.

Der Digital Touchpoint ist der Ort, wo die Wertschöpfung digitaler Unternehmen stattfindet und wo sie ihre Umsätze erzielen – entweder direkt oder indirekt durch die Erhebung von Daten. Im Kontext von Digital-Touchpoint-Lösungen zeigt sich die eigentliche Stärke der Cloud als Grundlage für neue Technologien – wie Internet of Things, Künstliche Intelligenz, Edge Computing, VR, AR oder Blockchain – die für Digital Touchpoints benötigt werden. Unternehmen, die nach neuen Chancen und Wachstum suchen, sollten ihre Reise daher mit der Definition eines Digital Touchpoints beginnen und anschließend schauen, welche Möglichkeiten die Cloud als technischer Startpunkt zur Umsetzung bietet.

René Büst ist Senior Director, Analyst bei Gartner

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