Enterprise Resource Planning-Systeme gehören in vielen Unternehmen zum Kern ihrer IT-Architektur. Nicht nur in Krisenzeiten lohnt es sich für Geschäftsmodelle im B2C- und B2B-Markt, die klassischen Vertriebskanäle um digitalen Handel zu erweitern und ERP-Systeme zur E-Commerce-Plattform auszubauen.
Digital einzukaufen ist im B2C-Markt für einen Großteil der Konsumenten ganz normal: Viele Hersteller und Händler – allen voran Branchen wie Bekleidung und Elektronik – nutzen neben dem stationären Handel in einem Direct-to-Customer-Modell (D2C) auch eigene Online-Kanäle, um ihre Produkte selbst an den Verbraucher zu bringen. Gerade in der Corona-Krise zeigte sich der Nutzen dieser zusätzlichen digitalen Ladentheke: Wer breiter aufgestellt und nicht komplett vom stationären Handel abhängig ist, profitierte von diesem direkten Kanal zu seinen Kunden. Er machte das Unternehmen ein Stück weit krisenfester.
B2B: Digital handeln – Vertrieb automatisieren
Im B2B-Markt hat sich der digitale Handel noch wenig durchgesetzt, obwohl auch hier viele Unternehmen davon profitieren könnten, wenn sie Bestellungen nicht mehr per Telefon oder Fax abwickeln müssten, sondern ihren Kunden eine komfortable Online-Plattform für den Einkauf ihrer Produkte bieten könnten. E-Commerce im B2B-Markt bedeutet Digitalisierung und Automatisierung des eigenen Vertriebskanals, auch Digitalisierung der Liefer- und Wertschöpfungsketten zwischen den Marktteilnehmern sowie weniger Kommunikations- und Bearbeitungsaufwand auf beiden Seiten. E-Commerce kann dazu beitragen, industrielle Lieferketten beispielsweise für Standardprodukte und Ersatzteile zu automatisieren und neue Zielgruppen zu adressieren.
Unternehmen, die ihre klassischen Vertriebskanäle um digitalen Handel ergänzen möchten, stehen vor der Herausforderung, klassische ERP-Funktionen so mit modernen E-Commerce-Systemen zu verzahnen, dass die gewünschten Kanäle genutzt und mit effizienten Prozessen bedient werden können. Ziel sollte es dabei sein, die bestehende IT-Infrastruktur intelligent an moderne digitale Vertriebskanäle anzubinden, ohne die funktionierenden und bewährten Systeme komplett auszumustern. Folgende Aspekte sind sowohl im B2C- als auch im B2B-Segment für erfolgreichen digitalen Handel wichtig. Je nach Geschäftsmodell und Digitalisierungsgrad im Unternehmen können sie allerdings unterschiedliche Priorität haben.
1. Online-Strategie festlegen
Auch wenn es meist das Erste ist, was uns bei digitalem Handel oder E-Commerce einfällt: Die Eröffnung oder Nutzung eines eigenen Webshops ist nur ein kleiner Baustein im Spektrum möglicher Online-Kanäle. Wer erfolgreich sein Business-Modell ergänzen oder umsetzen will, braucht eine klare Online-Marketing-Strategie. Es gilt Fragen zu klären wie: Welche Zielgruppe soll angesprochen werden? B2C, B2B oder beide? Welche Prozesse in Vertrieb und Lieferkette lassen sich per E-Commerce digitalisieren und automatisieren? Welche Online-Marktplätze bieten neben eigenen Webshops noch interessante Optionen? Die Palette reicht hier beispielsweise von B2C-Klassikern wie Amazon und Ebay über branchenspezifische Portale wie beispielsweise Zalando oder Aboutyou für die Modewelt bis hin zu B2B-Plattformen des technischen Großhandels, die mittelständische Industrie und Handwerk mit ihren Produkten bedienen.
2. Die IT-Architektur anschlussfähig machen
Jedes Unternehmen verfügt über eine historisch gewachsene IT-Landschaft, in der es ältere und neuere Systeme gibt, um die Geschäftsprozesse zu unterstützen: angefangen von Einkauf und Produktion, Bestandsverwaltung, Lagermanagement und Versand, meist mit Anschluss an Logistik-Dienstleister, bis hin zu rechtssicherer Buchhaltung, zu Reporting, Planung und Marketing. Darauf gilt es einen Blick zu werfen, mit dem Ziel, intelligente Brücken zur modernen Technologie cloudbasierter Webshops und Online-Marktplätze zu schaffen.
Die Herausforderungen können dabei unterschiedlich sein: Während ein Unternehmen altbewährte ERP-Systeme weiter nutzen und mit moderner Cloud-Technologie verbinden möchte, suchen andere möglicherweise gerade nach einem neuen ERP-System, das nicht nur cloudbasiert sein soll, sondern auch ein leistungsfähiges Funktionsspektrum bietet und Schnittstellen (APIs) bereithält, die den Anschluss an eine digitale Handelsplattform leicht macht. In jedem Fall müssen Unternehmen sicherstellen, dass für alle Prozesse ein durchgängiger Datenfluss durch die beteiligten Systeme möglich ist, wenn digitaler Handel weitgehend automatisiert und effizient geschehen soll. Der in heterogenen IT-Umgebungen dabei leicht entstehende Nachteil ist, dass zahllose 1:1-Schnittstellen zwischen unterschiedlichen Systemen erzeugt werden, die auf Dauer nicht nur unüberschaubarer und fehlerträchtiger werden, sondern auch den Administrationsaufwand bei Updates deutlich erhöhen. So wird eine echte Automatisierung der angeschlossenen Online-Prozesse oft eher behindert.
Stattdessen hat sich der Einsatz eines zentralen Datenhubs bewährt, der wie eine zentrale Daten-Drehscheibe innerhalb der IT-Architektur fungiert. So brauchen alle zuliefernden Systeme nur eine Schnittstelle, nämlich die zum zentralen Datenhub. Er speichert Daten aus verschiedenen Systemen an zentraler Stelle und wandelt sie in einem mehrstufigen Daten-Mapping automatisch in gewünschte Zielformate um. Dadurch sorgt er für einen reibungslosen Datenfluss in Echtzeit zwischen allen Systemen – und zwar unabhängig davon, wo in der IT-Landschaft Altsysteme verlässlich ihren Dienst tun und wo Cloud-Lösungen zum Einsatz kommen.
3. Produktdaten systematisch managen
In den meisten Unternehmen sind Produktinformationen auf verschiedene Systeme im Unternehmen verteilt. Das macht es aufwendig, Produkte mit ihren Eigenschaften, Bildern und Beschreibungen in einen Webshop hochzuladen – sei es der eigene oder ein Online-Marktplatz, sei es im B2C- oder im B2B-Segment. Für effizienten Online-Handel ist deshalb ein systematisches Produkt-Informations-Management (PIM) wichtig. Deshalb sollten Unternehmen für sich klären, welche Informationen über die eigenen Produkte an welcher Stelle der Wertschöpfungskette vorhanden sind und wo sie benötigt werden. Das reicht von Stammdaten eines Produktes mit Artikelnummer, Bezeichnung und Preis über Herstellerinformationen wie Bestellnummer oder Einkaufspreis und Produktmerkmale wie Marke, Material, Farbe und Größe bis hin zu Marketingmaterial wie Produktfotos oder -texte mit Sprachversionen für die internationale Vermarktung. Auch hier kann ein Datenhub gegebenenfalls einen Beitrag leisten; Daten, Informationen und Materialien zu einem Produkt lassen sich systematisch speichern.
4. Digital agil am Markt handeln
Wer mit leistungsfähigen Schnittstellen und konsistentem PIM die Voraussetzungen für effizienten digitalen Handel geschaffen hat, kann sich an den Anschluss der eigentlichen Handelsplattform und der gewünschten Vertriebskanäle machen. Die Entscheidung für eine E-Commerce-Plattform sollte sich nach dem eigenen Geschäftsmodell und den Wachstumsplänen richten. Sowohl für das B2C- als auch das B2B-Segment gibt es eine Vielzahl von Angeboten am Markt.
Gemeinsam mit der vorbereiteten eigenen IT-Architektur bilden sie für das Unternehmen eine Plattform für die systematische Nutzung neuer Online-Kanäle für den Vertrieb. Unternehmen, denen es gelingt, ihre ERP-Architektur zu einer umfassenden Handelsplattform auszubauen, können gegebenenfalls von Effizienz in der Umsetzung und Agilität profitieren. Sie haben mit einer geeigneten Lösung die Möglichkeit, schnell auf aktuelle Trends im Markt zu reagieren und ihre Zielgruppen über eigene Web-
shops, über Online-Marktplätze oder in Marketing-Kooperationen mit ihren Herstellern zeitnah und markentreu mit gewünschten Produkten zu bedienen – ganz gleich, ob es sich dabei um eine Modelinie handelt oder auch um technische Werkzeuge für Industrie und Handwerk.
Boris Krstic ist Vorstandsvorsitzender bei Actindo