Ein oft unterschätzter Aspekt der Softwarelokalisierung ist die kulturelle Angemessenheit. Was in einem Kulturkreis klar verständlich und positiv konnotiert ist, kann in einem anderen Land als irritierend oder sogar anstößig empfunden werden. Maschinelle Übersetzungssysteme – selbst fortschrittliche LLMs – verfügen über kein kulturelles Empfinden. Hier ist die menschliche Komponente unverzichtbar.
Ein Beispiel: Ein US-Softwareanbieter nutzte den Claim „We’ve got the guns“, um seine Sicherheitstechnologie zu bewerben. In den USA wurde dies als Ausdruck von Stärke und Schutz verstanden – in anderen Märkten wie Deutschland hätte eine wörtliche Übersetzung („Wir haben die Waffen“) eher Ablehnung ausgelöst. Nur menschliche Übersetzer erkennen solche Nuancen und passen Inhalte entsprechend an. Transkulturelle Anpassungen – auch Transkreation genannt – sind mit MT allein nicht leistbar.
Trotz aller Automatisierung bleibt der Mensch im MTPE-Prozess unverzichtbar – und zwar nicht nur als Kontrollinstanz. Übersetzer bringen neben sprachlicher Kompetenz auch ihr tiefes Fachwissen mit: Sie verstehen technische Zusammenhänge, kennen regulatorische Anforderungen und wissen, welche Formulierungen Zielgruppen überzeugen. Ihre Rolle verschiebt sich allerdings zunehmend von der Übersetzung hin zur Kontrolle, Qualitätssicherung, Prozessoptimierung und Terminologiepflege. Unternehmen, die frühzeitig in diese Expertise investieren und ihre KI-Übersetzungen durch MTPE optimieren, sichern sich langfristig einen Wettbewerbsvorteil, ohne auf die nötige Qualität zu verzichten.
MTPE kann eine sinnvolle Antwort sein auf die steigenden Anforderungen an Übersetzungsvolumen, Time-to-Market und Internationalisierung. Es bietet Unternehmen die Möglichkeit, ihre Softwarelokalisierung effizienter und skalierbarer zu gestalten – bei gleichzeitig gesicherter Qualität. Voraussetzung ist jedoch eine saubere Datenbasis, ein klar definierter Prozess für Terminologiemanagement und Post-Editing sowie eine fundierte Bewertung, in welchen Bereichen MTPE tatsächlich einen Vorteil bringt.
Für viele Unternehmen lohnt sich der Einstieg – sei es durch Pilotprojekte, den Einsatz spezialisierter Tools oder die Integration von MTPE in bestehende Workflows. Wer jedoch glaubt, maschinelle Übersetzung sei ein Allheilmittel für alle Lokalisierungsfragen, unterschätzt die Komplexität sprachlicher, technischer und kultureller Anforderungen. MTPE ist kein Ersatz für den Menschen, sondern ein Werkzeug, das ohne dessen Expertise nicht funktioniert.
Jasmin Nesbigall ist Fachleitung für MTPE (Maschinelle Übersetzung und Post-Editing) sowie Terminologiemanagement bei Oneword