Technologietrends für Behörden

Modernisieren nach dem Baukastenprinzip

18. März 2022, 6:30 Uhr | Autor: Arthur Mickoleit / Redaktion: Diana Künstler
© Bild: funkschau - Quelle: cherezoff /123rf

Wie Technologietrends Fach- und IT-Entscheidern in der Verwaltung dabei helfen können, nachhaltigen Mehrwert für die Allgemeinheit zu schaffen.

Mit Behörden verbindet man generell analoge Prozesse, überflüssige Bürokratie und ewige Wartezeiten. Doch die Notwendigkeit zur schnellen – und oft digitalen – Reaktion auf Schocks in der jüngsten Vergangenheit hat auch einiges zum Positiven verändert. Diesen Schwung sollten Fachressorts wie auch IT-Führungskräfte (CIOs) mitnehmen, um Behörden zukunftsfähiger zu machen und digitale Transformation in die Breite zu bringen. Speziell in diesen ungewissen und instabilen Zeiten.

Der öffentliche Sektor hat mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen. Zum einen steigen die Erwartungen der BürgerInnen an eine moderne Verwaltung stetig, aber nicht immer in eine einheitliche Richtung. Zum anderen sind die Budgets für Digitalisierung und die Förderung digitaler Kompetenzen bei Führungskräften und Mitarbeitern in der Verwaltung oft nicht ausreichend. Das Ergebnis kennen wir schon lange: Deutschlands Verwaltung hinkt bei der Digitalisierung in Europa hinterher. Besonders herausfordernd bleiben die Innovations-scheue Kultur, Silo-Denken und starre Prozesse. Im Kontext des Online-Zugangs-Gesetzes (OZG) wurden beeindruckende Erfolge verbucht, zum Beispiel beim BAföG-Antrag oder den Einfachen Leistungen für Eltern (ELFE). Während der Pandemie haben Verwaltungen wie die Bundesagentur für Arbeit oder das Land Schleswig-Holstein viel Agilität an den Tag gelegt und zusammen mit „GovTech“ Start-Ups wichtige Lösungen wie Selfie-Ident oder das Corona-Schul-Dashboard entwickelt. Leider gibt es noch massive Schwierigkeiten, die Wirkung dieser Verwaltungs-Innovationen zu multiplizieren.

Wie skaliert man also, wie streut man individuelle Erfolge in die Breite der Verwaltung? Die Technologietrends 2022 beschreiben zehn einzelne Bereiche digitaler Chancen und Herausforderungen für Behörden. Aber erst die Verknüpfung der Trends untereinander und mit digital-politischen „Großbaustellen“ – wie Teilhabe, Privatheit, Ethik, Personalentwicklung, Vergaberecht und digitale Souveränität – ermöglicht es, die Verwaltung agil, belastbar und vertrauenswürdig für die Zukunft aufzustellen.

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Die Top-10-Trends

Diese Technologietrends sollen Fach- und IT-Entscheidern in der Verwaltung helfen, durch Digitale Transformation nachhaltigen Mehrwert für die Allgemeinheit zu schaffen.

Trend 1: Adaptive Security
Sicherheitsbedrohungen nehmen in Umfang und Auswirkung zu und Behörden müssen einen risikobasierten Ansatz für Cyber-Sicherheit und Reaktionsfähigkeit fahren. Denn: Cyber-Sicherheitstechniken sind nur so gut wie das schwächste Glied. Und in vielen Fällen sind dies menschliche Fehler. Das erfordert eine erhöhte Sensibilität für die Organisationskultur und die Verzahnung von IT mit den Sicherheitspraktiken der gesamten Organisationen.

Der Trend hin zum adaptiven Sicherheitsmodell beschreibt Cyber-Sicherheitssysteme als autonomes biologisches Immunsystem. Dazu gehören Komponenten zur Vorhersage, Vorbeugung, Erkennung und Reaktion – zum Beispiel „Zero Trust“-Ansätze, die über traditionelle Vorstellungen von sicheren und unsicheren Umgebungen hinausgehen.

Trend 2: Digital Identity Ecosystems
Spätestens die Corona-Pandemie hat die digitale Identität in die politische Mainstream-Debatte katapultiert. Der künftige europäische Rahmen für digitale Identität mitsamt den geplanten „Identity Wallets“ für BürgerInnen wird auch von der deutschen Verwaltung mitgestaltet.

Die Akzeptanz digitaler Identität war bisher sehr gering. Sie aber steigt dort, wo sie sicher und nutzerfreundlich für relevante Dienste eingesetzt werden kann. Das sieht man am Beispiel Italien, wo etwa die Hälfte der Bevölkerung die moderne Verwaltungs-App IO auf dem Smartphone installiert hat. Das beflügelt dann auch die Nutzung von digitaler Identität: ebenso etwa die Hälfte der Bevölkerung nutzt das öffentliche „e-ID“-Angebot, SPID, für den gesicherten Austausch mit Behörden. Regierungen kommt somit eine Hauptrolle zu, um bei der digitalen Identität gekonnt zwischen individuellen, öffentlichen und privatwirtschaftlichen Interessen zu vermitteln.

Trend 3: Total Experience
Behörden bemühen sich, die Nutzerfreundlichkeit von Online-Diensten sowohl für BürgerInnen als auch für Beschäftigte zu verbessern. Themen wie Bedienbarkeit und Produkt-Design erhalten in der deutschen Verwaltung bereits Rückenwind durch Initiativen wie DigitalService4Germany.

Leider bestehen immer noch zu viele Silos und zu wenig Austausch zwischen einzelnen „Erfahrungs“-Disziplinen. Das beinhaltet den Fokus auf Nutzer (User Experience), BürgerInnen (Citizen Experience), Angestellte (Employee Experience) und unterschiedliche Zugangskanäle (Multi Experience). Total Experience (TX) kombiniert die vier Disziplinen, um die Nutzbarkeit und Erreichbarkeit von Services für alle Beteiligten zu erhöhen. Gleichzeitig steigert ein stärkerer Fokus auf Angestellte die Attraktivität der Verwaltung als Arbeitgeber. Dies ist immer noch eine sehr große Herausforderung der Digitalisierung.

Trend 4: Anything as a Service (XaaS)
Die Verwaltung greift zunehmend auf Cloud-Lösungen und XaaS-Modelle zurück, um Legacy-Systeme zu modernisieren und dadurch auf effiziente Weise moderne Verwaltungs-Services anzubieten. XaaS umfasst verschiedene IT-Infrastruktur- und Software-Dienste, einschließlich solcher, die in der Cloud als Abo-basierte Dienste bereitgestellt werden.

Ganze 95 Prozent der neuen IT-Investitionen von Regierungsbehörden sollen in den nächsten drei Jahren in XaaS-Lösungen getätigt werden. Den Vorteilen wie Kosten-Effizienz, Skalierbarkeit und Sicherheit stehen auch große Herausforderungen gegenüber. Dies betrifft Themen wie Privatheit und Hoheit über Daten, das Verhältnis zwischen Verwaltung und sogenannten Hyperscalern, sowie die Wahrung digitaler Souveränität von Gesellschaften.  

Autorentipp: Der FIT-Store

Zentral und monolithisch entwickelte Verwaltungssysteme halten den sich konstant ändernden Rahmenbedingungen nicht Stand. Das Risiko einer gebremsten und in Krisenzeiten nur beschränkt handlungsfähigen Verwaltung erkennen inzwischen sowohl Verwaltung als auch deren Dienstleister und Partner aus der IT-Industrie. Der FIT-Store der Föderalen IT-Kooperation (FITKO) zeigt, wie Technologie-Kooperation in und mit der Verwaltung vielleicht aussehen könnte, um einen nachhaltigen Mehrwert zu schaffen.


  1. Modernisieren nach dem Baukastenprinzip
  2. Ein Flickenteppich von Verfahren und IT-Lösungen

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