Es ist allerdings fraglich, ob der Entwurf je umgesetzt wird. Das Paket müsste sowohl vom Ministerrat als auch vom Europaparlament abgesegnet werden – und zwar noch vor der Europawahl im Mai 2014. Das erscheint unwahrscheinlich, denn gerade im Parlament herrscht große Skepsis. Auf Kritik stoßen besonders die Passagen zur Netzneutralität, also dem Grundsatz, dass Anbieter nicht bestimmten Internet-Inhalten Vorrang vor anderen einräumen dürfen. Einerseits will Kroes erstmals festschreiben, dass alle Datenpakete zu den gleichen Bedingungen transportiert werden müssen. Andererseits sollen Internet-Provider mit Inhalte-Anbietern Vereinbarungen treffen dürfen, damit bestimmte Premium-Angebote garantiert und schnell beim Kunden ankommen. Auch bezweifeln Kritiker, ob Kunden von dem Vorstoß der EU-Kommission wirklich profitieren. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) erklärte, die Kosten für Verbraucher würden nicht sinken, wenn die Firmen die Gebühren an anderer Stelle erhöhten.
Auch der Hightech-Verband Bitkom warnt die Europäische Kommission davor, die Roaming-Gebühren in der EU de facto abzuschaffen. "Mit der Abschaffung der Roaming-Gebühren erweist die Kommission den europäischen Verbrauchern einen Bärendienst", sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. Die Ab-schaffung der Roaming-Gebühren würde zwangsläufig dazu führen, dass die Preise für Inlandstelefonate und mobile Internetnutzung steigen. Auch würde die Subventionierung von Smartphones, Tablet-PCs und Handys durch die Netzbetreiber künftig niedriger ausfallen. "Eine Abschaffung der Roaming-Gebühren würde das komplette Preisgefüge in der Mobilkommunikation ins Rutschen bringen. Leidtragende werden die einkommensschwachen Bevölkerungsgruppen sein, die wenig reisen und derzeit von den niedrigen Gebühren für Inlandsgespräche am stärksten profitieren." Derzeit werden vor allem von vielreisenden Geschäftsleuten Roaming-Gebühren bezahlt.
Die Netzbetreiber seien auf die Erlöse aus dem Roaming dringend angewiesen, um die anstehenden Milliardeninvestitionen in den Netzausbau stemmen zu können, heißt es weiter. Und Rohleder kritisiert die fehlende Nachhaltigkeit bei den EU-Plänen. Derzeit müssten die TK-Unternehmen Millionen investieren, nur um die erst kürzlich beschlossenen Roaming-Auflagen der EU zu erfüllen. "Der neuerliche Vorstoß der Kommission kommt gänzlich überraschend und könnte zu einer vollständigen Entwertung der aufgezwungenen Implementierungskosten führen – mit nachhaltiger Wirtschaftspolitik hat das nichts zu tun", so Rohleder.
Noch ist nichts entschieden
Bisher ist die tatsächliche Abschaffung der Roaming-Aufschläge noch nicht beschlossen und die Proteste der Telekommunikationsanbieter gegen die Verordnung halten an. Diese sehen, einem Bericht der englischen Tageszeitung "The Guardian" zufolge, durch das Ende der Gebühren Verluste von rund sieben Milliarden Euro auf sich zukommen. Darüber hinaus sind für 2014 bereits erhebliche Einbußen eingeplant. Dann nämlich wird der letzte Schritt der Gebührensenkung durch die bisherige EU-Verordnung wirksam.
Und so sieht es aktuell aus: Seit dem 1. Juli 2013 gilt die nächste Stufe der insgesamt dritten EU-Roaming-Verordnung. Durch die neuen Höchstgrenzen des Euro-Tarifs ist vor allem das mobile Surfen im EU-Ausland deutlich günstiger geworden. Nutzt der Kunde den regulierten Roaming-Tarif, kostet das Megabyte ab sofort maximal 53,55 Cent (netto 45 Cent) bei Abrechnung in besonders vorteilhaften 1-kB-Schritten. Auch abgehende (maximal 28,56 Cent pro Minute, 30/1-Takt; netto 24 Cent) und eingehende Telefonate (maximal 8,33 Cent pro Minute, 1/1-Takt; netto 7 Cent) sind bei Aufenthalt in einem EU-Ausland erneut günstiger geworden. Für den Versand einer Roaming-SMS innerhalb der EU darf ein Anbieter maximal 9,52 Cent (netto 8 Cent) berechnen (siehe auch Tabelle zu den Euro-Tarifen).
Hinzu kommt: Es gilt weiterhin ein weltweiter Cut-Off-Mechanismus. Seit Juli 2012 greift der Mechanismus nicht nur in der EU, sondern weltweit – sofern das ausländische Netz diese Funktion unterstützt. Legt der Verbraucher nicht ausdrücklich ein höheres Limit fest, ist damit in allen Ländern der Welt automatisch erst einmal bei 59,50 Euro Schluss. Außerdem: Innerhalb der EU gibt es die Kostenfalle Mailbox nicht mehr – bei Aufenthalt in einem Nicht-EU-Ausland sollte die Mailbox generell aber besser abgeschaltet werden.