Die Geschichte des Ethernets – Teil 2

Das Mittelalter: Strukturierung der Netze

31. Juli 2020, 7:30 Uhr | Hans Lackner/jos
Im Jahr 1987 erschien Nesh, die weltweit erste Ethernet Bridge.
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Mit dem rapiden Wachstum der lokalen Netze wurde schnell klar, dass die Branche mit der Bustechnik allein nicht weiter kommt. Die riesigen Busstrukturen wurden unbeherrschbar. Die Experten besannen sich einer alten Weisheit: Teile und herrsche.

Divide et impera, das wussten schon die alten Römer. Wenn etwas unbeherrschbar wird, muss man es teilen. So entstand der Bridge-Gedanke: Man zerlege ein „Yellow Cable“ mit vielen Anschlüssen in mehrere mit wenigen angeschlossenen Geräten und kopple diese „Segmente“ über einen Shuttle­-Service. Dieser transportiert, falls notwendig, die Pakete von einen Segment ins andere. Einen Namen für ein Gerät, das einen solchen Dienst zur Verfügung stellte, gab es noch nicht. So gab die Karlsruher Firma Conware, die 1987 als weltweit erste ein solches Gerät auf den Markt gebracht hatte, ihrem Gerät den schönen Namen „Nesh“, was für Network Shuttle stand.

Der Begriff Bridge selbst wurde erst 1992 zum Standard, und zwar als der „IEEE P802.1D MAC Bridging“-Standard erschien. Der heute für solche Geräte gebräuchliche Name „Switch“ ist kein Standardbegriff, sondern ist eine Marketing-Kreation der Firma Grand Junction für eine „Full Speed Bridge“, ein Gerät, das kurze (64 Byte) bis lange Pakete (1.518 Bytes) ohne Datenverluste übertragen konnte. Die ersten Bridges waren reine Softwareimplementierungen, die für die Adressbehandlung mehr Zeit benötigten als die Übertragung kurzer Frames in Anspruch nahm. Daher gab es Datenverluste, wenn die Übertragung nur kurze Pakete betraf.

Lösung der CSMA/CD-Probleme

Mit der Erfindung der Bridge waren die wesentlichen protokollbedingten Probleme der CSMA/CD-Technik unter Kontrolle. Dazu gehören:
Fehleranfälligkeit: Ein Fehler in einem Segment kann nun nicht mehr das ganze Netz zerstören, sondern wirkt nur bis zur nächsten Bridge.

Sicherheit: Die Information eines Teilnehmers steht nicht mehr im gesamten Netz zur Verfügung, sondern ist begrenzt auf Segment bis zur Bridge. Ist etwa für das Monitoring die Information von allen Ports einer Bridge nötigt, bedarf es eines speziellen Monitor-Ports an der Bridge, auf dem die Information aller Ports ausgegeben wird.

Ausdehnungsbeschränkung: Aufgrund des Kollisionsverfahrens ist die Ausdehnung bei CSMA/CD bei 10 MBit/s und 64 Byte minimaler Frame-Länge auf 2,5 km beschränkt. Ersetzt man CSMA/CD durch Full Duplex, wird diese Beschränkung aufgehoben. Dies war die Idee des nächsten Meilensteins in der Ethernet-Geschichte: Durch die Kombination einer Bridge der Karlsruher Firma Conware mit einem Sternkoppler, einem passiven optischen Stern der Firma Hirschmann, entstand 1989 die erste Full-Duplex-Bridge, die die Ausdehnungsbeschränkung von CSMA/CD überwand.

Begrenzte Backbone-Geschwindigkeit: Die in einem CSMA/CD Netz zur Verfügung stehende maximale Bandbreite entspricht der Bandbreite eines Ports. Da im Bridge-Fall jedes an die Bridge angeschlossene Segment seine Übertragungsgeschwindigkeit zum Gesamtnetz (Backbone) hinzu addiert, lassen sich nun lokale Netze beliebiger Bandbreite aufbauen.

Skalierbarkeit: An ein CSMA/CD-Netz lassen sich nur Geräte mit der gleichen Geschwindigkeit anschließen. Benötigt man an einem Gerät eine höhere Geschwindigkeit, dann sind (ohne Bridge) alle Anschlüsse auszuwechseln.

Weltweite Netze

Die Ausdehnungsbeschränkung war damit gefallen. Daher konnten sich die Netze nun weltweit ausdehnen. Von Karlsruhe ging es zunächst in die USA, was durch die erste deutsche E-Mail dokumentiert ist, die 1984 im Informatik-Rechenzentrum der Universität Karlsruhe einging. Gelang dies noch relativ reibungslos, so war das nächste Projekt der Karlsruher Internetpioniere doch wesentlich anspruchsvoller: der Anschluss von China. Dazu musste zunächst einmal eine X.25-Verbindung nach Rumänien geschaltet werden, von wo es dann per Satellit nach Peking ging und zwar zur dortigen Post. Dies war noch der einfachere Teil der Strecke. Die meisten Schwierigkeiten bereitete die Strecke von der Post zur Universität, wo zunächst noch Leitungen zu erneuern waren, ehe in 1987 die erste Verbindung nach Peking zustande kam. Aber wer nun gedacht hatte, dass ein weltumspannendes Netz existierte, der irrte gewaltig. Man verfügte in Karlsruhe zwar über zwei Strecken, eine von den USA und eine aus China, beide jeweils mit einer PDP11 terminiert, die beide Rücken an Rücken standen, aber untereinander keine physische Verbindung hatten.

Obwohl CSMA/CD nun in der Lage gewesen wäre, höhere Geschwindigkeiten anzubieten, gelang dies zunächst anderen Techniken, zum Beispiel der Ring-Technik FDDI (Fibre Distributed Data Interface). Bridges benötigen einen Port mit höheren Geschwindigkeiten (Uplink Port), da vornehmlich Client-Server-Kommunikation stattfindet. Daher muss der Port zum Server höhere Geschwindigkeit haben als die übrigen Ports. In größeren Netzen wurden die Bridges damals mit ihren Server-Ports an einen 100-MBit/s-FDDI-Ring angeschlossen, der den Backbone des Netzes bildete. Dies war eine typische Konfiguration, wie sie etwa 1991 am Flughafen München entstand. Der Backbone bestand aus einem 100-MBit/s-FDDI-Ring der Firma Schneider & Koch. Den Zugang zu diesem Ring bildeten 10-MBit/s-Neshes von Conware.

Bridges benötigen höhere Geschwindigkeiten

Wegen der CSMA/CD-Technik hatte sich Ethernet bisher selbst vom Kampf um die höheren Geschwindigkeiten ausgeschlossen. Andere Techniken übernahmen die Entwicklung. FDDI galt als Backbone-Technik für Ethernet. Auch bei FDDI spielte Karlsruhe mit der Firma Schneider & Koch eine führende Rolle. Daneben kämpften weitere Techniken um den Ethernet Backbone: So machte sich ATM (Asynchronous Transfer Mode, nicht: Automated Teller Machine) auf, 622 MBit/s zu einer Zeit anzubieten, als Ethernet lediglich 10 MBit/s vermelden konnte. ATM galt als sicheres und performantes Rückgrat von Ethernet und damit als Nachfolger von FDDI. Denn FDDI hatte das gleiche Problem wie CSMA/CD: Es handelte sich um eine Multi-Drop-Technik, und sie war damit an die 100 MBit/s gebunden. Auch in puncto ATM hatten die Karlsruher einiges zu bieten. Das Unternehmen HiLAN produzierte die erste europäische ATM-Switching-Familie mit einer Interface-Geschwindigkeit von 622 MBit/s und einer Switching-Kapazität von 2,5 GBit/s. So unter Druck wachte die Ethernet-Gemeinde schließlich doch noch auf. 15 Jahre nach der Einführung von 10 MBit/s sollte nun endlich die nächste Stufe kommen: 100 MBit/s.

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602 LANline 2020-08 22-Krieg der Knöpfe
Das Jahr 1995 brachte den Krieg der Knöpfe.
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Dies verlief jedoch nicht ohne intensive Kämpfe. Es gab im Wesentlichen drei Gruppen. Die 100Base-T4/T2 Gruppe forderte, dass 100-MBit/s-Ethernet über Kategorie-3-Kabel laufen muss, damit vor allem in den USA vorhandene Cat.3-Netze verwendet werden konnten. Die 100Base-VG Gruppe wollte das CSMA/CD durch ein deterministisches Verfahren ablösen, damit auch Sprache und Video über die Netze laufen konnten. Die 100Base-TX Gruppe suchte schließlich eine schnelle Lösung, um das so lange brachliegende Marktpotenzial endlich angreifen zu können. Damit die Kampfgruppen unterscheidbar blieben, trugen die Kämpfer während der hitzigen Debatten Buttons, die sie als Mitglied ihrer Gruppe kennzeichneten. So entbrannte der Krieg der Knöpfe um die 100-MBit/s-Technik.
Die Schlacht forderte Opfer: Der erste Verlierer war 100Base-VG oder auch VG-AnyLAN, die sich „see it work!“ auf die Fahnen geschrieben hatten. Die Verfechter hatten zwar die bessere 100-MBit/s-Technik im Rücken, aber keine Ahnung davon, wie Standardisierung funktioniert. VG-AnyLAN versuchte, das längst zum Problem gewordene CSMA/CD durch ein „Voice Grade“-Protokoll zu ersetzen, mit dem man endlich auch Sprache über Ethernet übertragen konnte. Haupttreiber waren AT&T zusammen mit HP. Nach langen Kämpfen ließ sich HP schließlich zu dem Satz hinreißen: „Wenn Ihr uns nicht glaubt, dann fahrt 30 Meilen südlich zur Interop, da könnt ihr alles perfekt in Betrieb sehen“. Dies war der größte Fehler, nämlich in einem Standardverfahren bekannt zu geben, dass man den Standard bereits fertig hat. Denn diesen Vorteil gönnt einem die Konkurrenz nicht. Darüber hinaus hielt das VG-Voice-Grade-Verfahren nicht an CSMA/CD fest, was der Normierungsauftrag von IEEE 802.3 bis heute ist.


  1. Das Mittelalter: Strukturierung der Netze
  2. Don‘t Change the MAC

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