Die Geschichte des Ethernets – Teil 2

Das Mittelalter: Strukturierung der Netze

31. Juli 2020, 7:30 Uhr | Hans Lackner/jos

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Don‘t Change the MAC

Diese Abweichung vom Normungsauftrag schweißte die Gegner zusammen, so zerstritten sie auch waren. Folglich kämpften alle anderen gemeinsam gegen die Abtrünnigen. Sie machten ihren Unmut mit dem „Don’t Delta-MAC“-Button öffentlich. Schließlich wurde 100Base-VG nach IEEE 802.12 verbannt und starb dort einen einsamen Tod zusammen mit vielen bereits gefertigten Voice-Grade-Geräten.
Die anderen Gruppen wurden aus Proporzgründen ebenfalls aus IEEE 802.3 verbannt, und zwar nach IEEE 802.30, einem Arbeitskreis, dessen Kennung komplett aus der Reihe fiel – 802.12 war damals die letzte verwendete Arbeitskreisnummer. Schließlich erschienen die „802.3 wants ‚‘u‘ “-Buttons, um die IEEE-802.30-Leute zurück nach IEEE 802.3 zu holen, und zwar genauer nach IEEE 802.3u, in die originale 100-MBit/s-Gruppe.
Das Ergebnis dieses Kampfes war schließlich, dass 100Base-VG zwar Standard wurde, aber in IEEE 802.12 einsam verendete, dass 100Base-T4/T2 ebenfalls Standard wurde, aber Kategorie 3 niemand wirklich brauchte, und dass 100Base-TX das Rennen machte.

Abschreiben kann jeder

Wie hatten dies die erfolgreichen 100Base-TX-Knopf-Krieger gemacht? Sie hatten ganz einfach bei FDDI abgeschrieben, wo es längst ein 100-MBit/s-Interface gab. Sie mussten es nur mit einer Kollisionserkennung erweitern, und der 100Base-TX-Standard war fertig. Erst später kam ein entscheidender Abschreibfehler ans Licht. Es waren lediglich Verweise auf den FDDI-Standard eingefügt, sodass der Ethernet-Standard ungültig wurde, als der FDDI-Standard seine Gültigkeit verlor. Dies bedeutete für die Normierer, dass man viele Jahre, nachdem 100 MBit/s Ethernet verabschiedet war, noch einmal über den nun mit FDDI-Kopien versehenen Standard abstimmen musste.

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Bei der Gigabit-Technik waren die Beteiligten deutlich schneller. Hatte es noch 15 Jahre gedauert, um von 10 auf 100 MBit/s zu kommen, waren es gerade drei Jahre (fünf Jahre für die Kupfertechnik), um von 100 MBit/s auf 1.000 MBit/s zu kommen. Diesmal hatte man bei Fibre Channel eine Anleihe genommen. Für das heute übliche 1000Base-T brauchte man fünf Jahre, für Optik und Coax lediglich drei Jahre, denn Fibre Channel hatte keine Twisted-Pair-Technik definiert. 1000Base-T war also von Grund auf neu zu spezifizieren, während man für LWL und Coax lediglich eine  Geschwindigkeitsanpassung von 800 MBit/s auf 1.000 MBit/s vornehmen musste.

Aus Fibre Channel wird Gigabit Ethernet

Zum Erstaunen der Messebesucher wimmelte es auf der Interop 1999 geradezu von 1000Base-T-Geräten, obwohl der Standard noch gar nicht verabschiedet war. Was war geschehen? Die Anbieter von Fibre-Channel-Geräten hatten flugs ihre Fibre-Channel-Etiketten gegen 1000Base-T ausgetauscht, und dies, obwohl Fibre Channel nur 800 MBit/s reichte. 1000Base-T ist die letzte CSMA/CD-Technik, wobei diese Geschwindigkeit nur durch eine kleine Mogelei zu realisieren war: Frame Extension – kurze Frames mussten künstlich verlängert werden, wenn man die Ausdehnung der üblichen 100 Meter erreichen wollte. Für Pakete kürzer als 512 Bytes hieß dies, dass sich Gigabit-Geschwindigkeit nicht erreichen ließ. Bei kurzen Frames waren maximal 200 MBit/s machbar. CSMA/CD ergibt also bei Gigabit Ethernet keinen Sinn mehr. Der Standard musste jedoch CSMA/CD enthalten, sonst wäre die Gruppe Gefahr gelaufen, wie VG-AnyLAN aus dem erlauchten Ethernet-Klub geworfen zu werden.

Beginn der Erfolgsstory „Ethernet“

Denn seit der Erfindung der Ethernet Bridge im Jahr 1987 hat sich viel getan. Die Bridges sind so preiswert, dass Betreiber nicht mehr Segmente mit vielen Geräten anschließen müssen, sondern es sich leisten können, einzelne Geräte mit der Bridge zu verbinden. Außerdem hat Twisted Pair das Yellow Cable abgelöst, sodass sich nun die Netze den Anforderungen entsprechen strukturieren lassen. Strukturierte Netze haben Ethernet das Überleben gesichert. Die Probleme der Multi-Drop-Netze machen ein Überleben solcher Techniken unmöglich, wie Konzepte wie Token Bus, Token Ring und FDDI bitter erfahren mussten. Mit Aufhebung der Ausdehnungs- und Geschwindigkeitsbeschränkung kann sich Ethernet nun an die Eroberung neuer Anwendungen machen. Damit wird sich der dritte Teil beschäftigen.

Hans Lackner ist Diplom-Informatiker und seit 1990 stimmberechtigtes Mitglied von IEEE 802.3. Er hat an sämtlichen Standards von 10Base-T bis zu den heutigen 400-GBit/s-Techniken mitgewirkt.


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