Verschränkung auf Knopfdruck

Fortschritt bei der Quanten-Kommunikation

12. Juli 2024, 11:00 Uhr | Jörg Schröper
Visuell dargestellt: Rubidium-Atome sind im optischen Resonator gefangen und werden mit Hilfe eines stark fokussierten Laserstrahls einzeln adressiert. Die Garchinger haben bislang bis zu sechs Rubidium-Atome als Quantenbits in dem optischen Resonator mit den Lichtpinzetten manipulieren können. Die Atome sind hier zum Leuchten angeregt, um sie sichtbar zu machen. Theoretisch bietet der Resonator Platz für bis zu etwa 200 Atome, hocheffektiv adressierbare Quantenbits.
© Max-Planck-Institut für Quantenoptik

Die Verschränkung, Einsteins „spukhafte Fernwirkung“, ist heute DAS Werkzeug der Quanteninformatik. Sie liefert die essenzielle Ressource für Quantencomputer und dient dem Transfer von Quanteninformation in einem künftigen Quantennetzwerk. Allerdings ist sie höchst empfindlich.

Es gilt als enorme Herausforderung, ruhende Quantenbits (Qubits) „auf Knopfdruck“ mit fliegenden Qubits in Form von Photonen zu verschränken. Dennoch gelang genau dies einem Team um Gerhard Rempe, Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching, nun mit parallel geschalteten Atomen.

Die Atome sind zwischen zwei nahezu perfekten Spiegeln gefangen. Das garantiert eine zuverlässige Wechselwirkung mit Photonen als fliegende Qubits – eine Technik, die Gerhard Rempe als Pionier vorangetrieben hat. Mit Hilfe einer Multiplexing-Technik gelang es den Wissenschaftlern, Atom-Photon-Verschränkung mit nahezu hundertprozentiger Effizienz zu erzeugen – ein bahnbrechender Fortschritt für die Verteilung von Verschränkung in einem Quantennetzwerk. Die Arbeit erscheint heute im Fachmagazin Science.

Schnittstellen zwischen ruhenden und fliegenden Qubits kommen immer dann ins Spiel, wenn Quanteninformation über längere Strecken verschickt werden soll. „Ein Aspekt ist die Kommunikation von Quanteninformation über eine längere Distanz in einem zukünftigen Quanteninternet“, erklärte Emanuele Distante, der das Experiment als Postdoktorand betreute: „Der zweite Aspekt ist das Ziel, viele Qubits in einem verteilten Netzwerk zu einem mächtigeren Quantencomputer zu verbinden.“

Beide Anwendungen benötigen effiziente Schnittstellen zwischen ruhenden und fliegenden Qubits. Deshalb forschen viele Gruppen auf der ganzen Welt mit Nachdruck an quantenmechanischen Licht-Materie-Schnittstellen.

Dabei werden unterschiedliche technische Ansätze verfolgt. Die Garchinger um Gerhard Rempe treiben seit vielen Jahren eine Methode mit ultrakalten Rubidium-Atomen voran, die zwischen zwei nahezu perfekten Spiegeln als optischen Resonator schweben. Dabei steht ein künftiges Quanteninternet im Fokus. Dieser Ansatz hat einen systemimmanenten Vorteil, denn so kann ein gefangenes Atom mit einem Photon, das wie ein Pingpong-Ball etwa zwanzigtausend Mal zwischen beiden Spiegeln hin und her flitzt, hocheffizient wechselwirken. Mehr noch: Da einer der beiden Spiegel minimal transparenter als der andere ist, verlässt das Photon das Spiegelkabinett in einer exakt vorbestimmten Richtung. So geht es nicht verloren, sondern lässt sich zuverlässig in eine Glasfaser einkoppeln. Wird dieses Photon durch ein bestimmtes Protokoll an Laserpulsen mit dem Atom verschränkt, dann bleibt diese Verschränkung während der Reise des Photons erhalten.

Multiplexing gegen Übertragungsverluste

Bereits 2012 gelang es dem Garchinger Team, auf diese Weise ein Atom in einem Resonator via „Photonenfunk“ durch eine 60 Meter lange Glasfaser mit einem zweiten Atom in einem anderen Resonator zu verschränken. Mit Hilfe des Übertragungsphotons formten sie aus beiden Atomen ein ausgedehntes verschränktes Quantenobjekt. Allerdings darf das Photon unterwegs nicht in der Glasfaser verlorengehen, und genau das ist das Problem bei einer längeren Reise. Die Lösung, zumindest für mittlere Distanzen von einigen Kilometern, heißt „Multiplexing“. Das Multiplexing ist Standardmethode der klassischen Informationstechnik, um die Übertragung robuster zu machen. Man kann sie sich wie eine Funkverbindung durch ein Gebiet voller Störungen vorstellen: Schickt man das Funksignal entlang mehrerer, paralleler Kanäle, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es durch mindestens einen Kanal beim Empfänger eintrifft.

„Ohne Multiplexing würde auch unser heutiges Internet nicht funktionieren“, erklärt Distante: „Aber diese Methode in Quanteninformationssysteme zu übertragen, ist eine besondere Herausforderung.“ Dabei ist das Multiplexing nicht allein interessant für eine sicherere Übertragung über längere Distanzen in einem künftigen Quanteninternet, sondern auch für ein lokales Quantennetzwerk. Ein Beispiel ist der verteilte Quantencomputer, der aus mehreren kleineren Prozessoren besteht, die über kurze Glasfasern verbunden sind. Dessen ruhende Qubits könnten durch Multiplexing zuverlässiger mittels fliegender Qubits verschränkt werden, um so ein verteiltes, mächtigeres Quantenrechenwerk zu formen.

Laserpinzetten für das Atom-Handling

Die Herausforderung für die Garchinger bestand nun darin, mehrere Atome als ruhende Qubits in einen Resonator zu laden und einzeln anzusprechen. Nur wenn der Ort der Atome bekannt ist, lassen sich diese parallel mit jeweils einem Photon verschränken, um Multiplexing zu erreichen. Dazu entwickelte das Team eine Technik, um sogenannte optische Pinzetten in den beengten Resonator einzubringen. „Die Spiegel haben einen Abstand von nur ungefähr einem halben Millimeter“, erläuterte Lukas Hartung, Doktorand und Erstautor der Veröffentlichung in Science.

Optische Pinzetten bestehen aus feinen Laserstrahlen, die stark genug sind, um in ihrem Fokus ein Atom einzufangen und präzise an den gewünschten Ort zu bringen. Dem Team gelang es, mit bis zu sechs solcher Laserpinzetten entsprechend viele schwebende Rubidium-Atome in dem Resonator zu einem sauberen Qubit-Raster anzuordnen. Da die Atome ohne weiteres eine Minute in der Falle verbleiben, was in der Physik eine kleine Ewigkeit darstellt, konnten sie bequem mit jeweils einem Photon verschränkt werden. „Das funktioniert annähernd zu hundert Prozent!“, betonte Distante den entscheidenden Vorteil dieser Technik: Die Verschränkungsverteilung funktioniert so nahezu „deterministisch“, also auf Knopfdruck.

Auf erheblich mehr Qubits skalierbar

Um dies zu erreichen, musste das Team ein leistungsstarkes Objektiv mikrometergenau über dem Resonator anbringen, um die einzelnen Strahlen der Lichtpinzetten in das enge Spiegelkabinett hinein zu fokussieren. Die Pinzettenstrahlen werden über sogenannte akusto-optische Deflektoren erzeugt und lassen sich damit einzeln steuern. Das präzise Justieren der Laserpinzetten in der Optik erfordert viel Fingerspitzengefühl. „Diese Herausforderung zu meistern war der Grundstein für das Gelingen des Experiments“, bilanzierte Stephan Welte, der die Technologie im Team mitentwickelt hat und nun an der ETH Zürich forscht.

Das aktuelle Experiment lässt hoffen, dass die Methode ohne Verluste auf erheblich mehr Qubits hochskalierbar ist. Bis zu 200 Atome ließen sich maximal so in einem solchen Resonator ansteuern, schätzt das Team. Da sich diese Quantenbits in dem Resonator sehr gut kontrollieren lassen, wäre das ein enormer Fortschritt. Und da die Schnittstelle die verschränkten Photonen sogar zu hundert Prozent in die Glasfaser einspeist, wäre damit ein Netzwerk aus vielen Resonatoren mit jeweils 200 Atomen als ruhende Qubits denkbar. Dies ergäbe einen mächtigen Quantencomputer. Noch ist das Zukunftsmusik. Aber mit den Laserpinzetten hat das Garchinger Team nun ein beachtliches Stück dieser Zukunft fest in den Griff genommen.

Die Erforschung der Quantenwelt mit Laserlicht ist das zentrale Thema am Max-Planck-Institut für Quantenoptik, die zum Teil unter extremen Bedingungen wie den kältesten im Universum möglichen Temperaturen stattfindet. Mit revolutionären Konzepten und neuartigen Apparaturen ebnen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Weg zu leistungsfähigen Quantencomputern, Quantensimulatoren und Quantennetzwerken. Auch bei der Entwicklung moderner Lichtquellen und Messinstrumente im Bereich der Quantensensorik leisten sie Pionierarbeit. Wichtige Beispiele sind der optische Frequenzkamm, für den Professor Theodor Hänsch im Jahr 2005 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet wurde, oder die Erzeugung von ultrakurzen Attosekundenlichtpulsen, für die Prof. Ferenc Krausz 2023 den Nobelpreis für Physik erhielt.
 

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