Erfolg in der Nische

Glänzendes Geschäft mit Disketten

14. Oktober 2022, 9:45 Uhr | Lars Bube

Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Japan als Disketten-Bastion

Diskettenverwertung
Nicht mehr brauchbare Disketten werden gerne von Bastlern und Künstlern gekauft
© piyaphunjun - AdobeStock

Und noch ein weiterer lukrativer Abnehmer droht dem Diskettenhändler verloren zu gehen: Ausgerechnet im Hochtechnologieland Japan gehören die antiquierten Datenträger derzeit in vielen Behörden und öffentlichen Einrichtungen noch immer zum Alltag. Bei einer Untersuchung der staatlichen Digitalisierungspotenziale stellte Digitalminister Taro Kono erschrocken fest, dass es in der Verwaltung noch mehr als 1.900 Prozesse und Richtlinien zum Gebrauch veralteter Datenträger gibt. Rund drei Viertel davon betreffen Disketten, der Rest dreht sich um Vertreter wie CDs oder Magnetbänder. Deshalb rief Kono kurzerhand auf Twitter einen „Krieg gegen Disketten“ aus, mit dem die digitale Modernisierung der Behörden und Verwaltung nun endlich vorangetrieben werden soll. Dabei beruht dieser technische Anachronismus hat vor allem auf einem kulturellen Hintergrund: Lange Zeit war es den Behördenmitarbeitern untersagt wichtige Daten zu versenden, stattdessen mussten sie persönlich übergeben werden. Bis die nun ausgerufene Digitalisierungsinitiative umgesetzt ist, dürften angesichts dieser tiefen Verwurzelung somit noch einige weitere Jahre vergehen, in denen Persky regelmäßig Pakete mit Disketten nach Japan schicken wird. Viele der Datenträger kehren damit zurück in ihr Heimatland, in dem sie einst bei Sony vom Band liefen.

Trotz der offensichtlichen Endlichkeit des Geschäftsmodells hat Persky wenig Angst, dass ihm die Kunden ausgehen könnten. Viel mehr Sorgen macht er sich um den Nachschub. Obwohl er auch heute noch aus aller Welt neue und gebrauchte Disketten und Geräte zugeschickt bekommt und ab und an sogar ganze Paletten Neuware in Garagen und Kellern auftauchen, hat er derzeit nach eigenen Angaben nur noch rund eine halbe Million Disketten auf Vorrat. So musste er auch schon einige Anfragen ablehnen, wie etwa die eines holländischen Unternehmens, das mehrere hunderttausend Stück auf einmal kaufen wollte. Einerseits will der Händler seine ständig im Wert steigenden Pretiosen nicht alle auf einmal abgeben, andererseits möchte er für seine langjährigen Kunden lieferfähig bleiben.

Zudem ist für den Fachmann Diskette nicht gleich Diskette. „Am stärksten nachgefragt werden blanke 3,5-Zoll-Disketten mit 1,44 MByte Kapazität. Am wertvollsten sind derzeit jedoch die Double-Density-Versionen mit 720 KByte. Darüber hinaus wären da noch die 8-Zoll-Disketten, für die es zwar kaum Nachfrage gibt, von denen wir aber auch nur noch sehr wenige haben. Sie sind absolut unersetzlich. In ähnlicher Weise gilt das auch für die Quad-Density 5,25-Zoll-Modelle“. Und auch hinsichtlich der Qualitätsunterschiede kann Persky mit seiner jahrelangen Erfahrung einiges berichten. Fast wie bei einem guten Wein ist für ihn dabei neben dem Hersteller vor allem das Produktionsjahr wichtig: „Ich würde sagen, die besten Disketten wurden zwischen 1985 und 2000 hergestellt“. Vorher sei die Technik noch nicht ausgereift genug gewesen, danach sei die Produktion angesichts des zu erwartenden Endes zunehmend schlampig geworden und die Ausfallquote habe sich drastisch erhöht.

So oder so sieht Persky dem späten Ende der Diskette und damit seines Geschäfts gelassen entgegen. Mit inzwischen 72 Jahren betrachtet er es inzwischen sowieso mehr als ein Hobby und ist froh, wenn er in ein paar Jahren die letzten Disks verschicken und dann endgültig in den Ruhestand gehen kann. Deutlich unruhiger dürfte diese Aussicht die verbleibenden Kunden schlafen lassen. Wer seine von Disketten angetriebenen Maschinen bis dahin nicht aussortiert oder mittels spezieller Konverter-Module umgestellt hat, ist dann auf die äußerst raren Zufallstreffer in Onlinemarktplätzen angewiesen.

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