Cloud ist nicht gleich Cloud. Im funkschau-Interview erklärt Swyx-CTO Martin Claßen, welches Bereitstellungsmodell sich für welches Unternehmen eignet und warum sich TK-Anlagen nicht als erster Schritt in Richtung Cloud eignen.
funkschau: Herr Claßen, Public Cloud-Anbieter werben oft mit hoher Skalierbarkeit und enormen Kapazitäten bei vergleichsweise geringen Kosten. Sind das nicht unschlagbare Argumente für die Public Cloud?
Martin Claßen: Wenn ich diese Elastizität – dieser Begriff trifft es besser als Skalierbarkeit – nicht benötige, dann rechnet sich diese Option meist auch nicht. Bei vielen mittelständischen Unternehmen ist das der Fall. Wenn man beispielsweise morgens mehr Rechenleistung benötigt als abends, dann ist die Public Cloud genau das Richtige. Wenn aber etwa die Mitarbeiterzahl langsam wächst oder schrumpft, dann zahlt man zu viel für diese Elastizität.
funkschau: Können Sie noch weitere Punkte nennen, in denen sich Public- und Private Cloud-Modelle unterscheiden?
Claßen: Eine wichtige Frage ist, wie standardisiert die zu betreibende Lösung ist. Office 365 ist beispielsweise Commodity und bei stark standardisierten Lösungen bietet sich eine Bereitstellung über die Public Cloud an. Aber Cases, die Geschäftsprozesse stützen, brauchen viel individuelle Flexibilität. Je größer diese Flexibilitätsanforderung, umso mehr die Tendenz zur Private Cloud.
funkschau: Woran können sich Unternehmen orientieren, wenn es hingegen um die Entscheidung zwischen Cloud und On-Premise geht?
Claßen: Beide Varianten bieten meist die gleichen Funktionen, daher sollten Unternehmen prüfen, welche Infrastruktur bereits vorhanden ist. Steht kein eigenes Rechenzentrum zur Verfügung, dann würde ich zur Private Cloud raten. So wird kein Kapital gebunden. Wichtig ist es dabei, einen Dienstleister zu wählen, dem man vertraut. Dann gibt es keinen rationalen Grund, Daten nicht in die Cloud zu geben. Die Entscheidung gegen die Cloud ist daher oft rein emotional.
funkschau: Gilt das auch in Hinblick auf die Sicherheitsthematik?
Claßen: Lassen Sie es mich so ausdrücken: Am Ende stellt sich immer die Frage, ob die IT-Abteilung ein höheres Sicherheitlevel zur Verfügung stellen kann als der zertifizierte Cloud-Dienstleister.
funkschau: Sie würden prinzipiell also immer zu einer Cloud-Lösung tendieren?
Claßen: Letztlich muss das jedes Unternehmen für sich entscheiden. Aber die Cloud geht mit zahlreichen Vorteilen einher – sowohl für die Anwender als auch für uns als Anbieter. So sind etwa neue Funktionalitäten der Software in der Cloud sofort verfügbar und Unternehmen erhalten ein besseres Kundenerlebnis.
Für Anbieter sind Cloud-Lösungen hingegen leichter zu verwalten und wir haben die Möglichkeit, das Nutzerverhalten anonymisiert zu analysieren und darauf aufbauend die Möglichkeit, die Produkte besser und wettbewerbsfähiger zu machen. Aktuell befinden sich insgesamt 15 Prozent unserer Kunden in der Cloud, wir würden aber prinzipiell zu dieser Lösung raten.
funkschau: Sie raten zur Cloud, dennoch bieten Sie eine On-Premise-Variante an. Widerspricht sich das nicht?
Claßen: Es ist wichtig, dem Kunden die Wahl zu lassen. Cloud ist die Zukunft, da sind wir uns sicher. Aber wir schreiben dem Kunden nicht vor, wann er in die Cloud zu gehen hat.
funkschau: Das dürfte nicht immer einfach sein. Immerhin sind noch viele deutsche Unternehmen sehr zurückhaltend, wenn es um Cloud im Allgemeinen und Cloud-Telefonie im Speziellen geht.
Claßen: Das stimmt, dieser Bereich entwickelt sich nicht so schnell, wie es der Markt erwartet hat. Es ist schwierig zu deuten, was dafür die wirklichen Gründe sind. E-Mail-Dienste nutzen beispielsweise schon viel mehr Unternehmen aus der Cloud als Kommunikationsdienste. Letztere gelten aber auch meist als kritischer.
funkschau: Eignet sich die TK-Anlage also nicht als erster Schritt in die Cloud?
Claßen: Zuerst sollten Unternehmen hoch standardisierte Produkte wie CRM oder Mail-Dienste aus der Cloud beziehen, um erste Erfahrungen zu sammeln. Bei der Telefonie sind die Ansprüche oft deutlich höher – beispielsweise bei der Breitbandverbindung. Gibt es hier Probleme, merken die Nutzer das bei E-Mail-Diensten nicht, bei der Telefonie hingegen sofort. Daher sollten Unternehmen am besten mit einem Dienst starten, der einen geringen Bandbreitenbedarf hat.