Die gute Nachricht ist, dass Scrum dabei helfen kann, Hürden zu bekämpfen und Distanzen zu reduzieren sowie Disziplin zu stärken. Alle Events wie Daily, Retrospective und Review unterliegen fixen Zyklen, klaren Zeitfenstern (Timebox-Prinzip) und inhaltlich konkreten Vorgängen. Diese Leitplanken unterstützen den Habitus und helfen, fehlende Nähe zu überwinden. Durch Besprechungen wie dem Daily ist unmittelbarer Kontakt vorgegeben. Da jeder etwas beitragen muss, werden auch passive Charaktertypen integriert und der Zusammenhalt gestärkt. Das „Verstecken“ hinter Schlüsselpersonen wird vermindert. Dennoch wird es wichtiger darauf zu achten, dass jeder beteiligt ist und seinen Beitrag leistet. Aktive Teammitglieder sollten einen Schritt zurücktreten und passiven Personentypen mehr Bühne bieten, zur Mitarbeit animieren und direkt verbal ansprechen. Der visuelle Kontakt über Video ist dabei unverzichtbar, da ein Hauptteil menschlicher Kommunikation ansonsten verloren geht. Missverständnisse – durch Stirnrunzeln oder Augenverdrehen ausgedrückt – bleiben unsichtbar und kommen meist erst an die Oberfläche, wenn kleine Probleme zu Eskalationen erwachsen. Ähnlich verhält es sich mit den übrigen Events. In der Review werden häufig Sprint-Ergebnisse präsentiert und diskutiert – es entsteht ein Kommunikationspunkt zwischen Team und Stakeholdern. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass es kein Selbstzweck bleibt, sondern über breite Teilnahme durch Management und Stakeholder strahlt und so alle integriert. Eine verpasste Chance vieler Scrum-Teams ist dabei, dass eine dedizierte Person die Kommunikation übernimmt. Wenn stattdessen jedes Teammitglied die Chance bekommt, seine Erfolge und Ergebnisse vorzustellen, dann erhöht sich das Socializing aller Beteiligten und das Vertrauen wird gestärkt. Präsenz sowie Sichtbarkeit erhöht am Ende Selbstorganisation und Teamgefühl.
Hervorzuheben sind erneut Selbstorganisation und Eigenverantwortlichkeit in agilen Teams. Je höher diese Fähigkeiten im agilen Umfeld ausgeprägt sind, desto erfolgreicher werden sie unter den neuen Herausforderungen agieren. Da das Gesamtgefüge nicht auf Kontrolle und Anweisung ausgelegt ist, fällt der fehlende Zugriff weniger stark ins Gewicht. Die Selbstversorgung mit Themen und die Kontaktaufnahme zum Team ist selbstverständlich.
Es kann festgehalten werden, dass höhere Eigenaktivität unverzichtbar wird, wenn permanenter Kontakt unmöglich ist und sich die Arbeit auf Remote-Kollaboration beschränkt. Dazu gehört, in Pausen die Kolleginnen und Kollegen anzuschreiben, Hilfe anzubieten, Probleme zu erfragen und im Loop zu bleiben. Digitale Kaffeepausen im Team oder ein gemeinsamer Sprintausklang per Video-Chat helfen, den Spirit zu stärken.
Der Mehrwert von agilen Vorgehensweisen wie Scrum ist kein Mythos. Speziell unter schwierigen Bedingungen wie der Covid-19-Pandemie zeigt sich, wo eine Umsetzung richtig gelebt wird und das Mindset stimmt. Sind Selbstorganisation, Eigenverantwortlichkeit und Vertrauen gegeben, dann ist der Einschnitt durch ein solches Ereignis deutlich geringer. Doch dieser Erfolg schwindet über die Zeit und Bedarf zur Aufrechterhaltung konstanter Pflege, erhöhter Kontaktfreudigkeit und stärkerer Disziplin. Ist man bereit, langfristig in eine solche Komposition zu investieren, dann wird man mit Krisenfestigkeit, Ausfallsicherheit und starker Produktivität belohnt.
Es bleibt festzustellen, dass nur die Ganzheitlichkeit aus einem starken Team, integrierten Stakeholdern und passenden Tools eine solide Basis darstellt. Lässt man Pfeiler weg, dann wird das Konstrukt instabil. Deshalb ist es wichtig, Agilität so zu leben, wie im originären Gedankengut vorgesehen – da es nur dann seine Effizienz entfalten kann.
Markus Stroh, Teamleiter Web Experience Management / Scrum Master und Agile Coach bei Adesso
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Die richtigen Hilfsmittel sind ausschlaggebend für einen reibungslosen Ablauf, trotz physischer Abwesenheit. Im Folgenden finden sich Best Practices, die helfen, gemeinsam digital erfolgreich zu bleiben:
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