Mit viel Begeisterung diskutiert die Telekommunikationsbranche seit rund zehn Jahren das Thema Next Generation Networks. Die Deutsche Telekom, British Telecom oder France Telecom etwa investieren Milliardenbeträge in die Migration zu einer All-IP-Plattform. Angesichts dieser Dynamik stellt sich die Frage, welche Verbesserungen das Konzept wirklich bringt, und was die Antriebskräfte der Telekom-Industrie für diesen Wechsel sind.
Von Matthew Finnie und Claudia Rayling
Das Schlüsselwort bei Next Generation Networks ist ‚Entkopplung’. In der Wortwahl der International Telecommunication Union (ITU) heißt das: „Der Service ist unabhängig von der Transportart". Was so unscheinbar daher kommt, wirft das Verständnis ganzer Generationen von Telekommunikationsanbietern über den Haufen. Bei traditionellen und auch weniger traditionellen TK-Anbietern sind Service und Transport unabänderlich miteinander verknüpft. Jetzt werden sie entkoppelt – mit weitreichenden Auswirkungen.
Bisher erhält man mit dem Erwerb eines Handys Zugang zum Kommunikationsnetz, und der Mobilfunkbetreiber hat in der Hand wie der Nutzer ein Telefonat führt. Denn er bestimmt wie ein Telefonat übermittelt wird, und welcher Diensteanbieter gewählt wird. Im herkömmlichen internationalen Standleitungsgeschäft wird ein Standort mit einem anderen verbunden; Service und Transport sind gleich.
Ungefähr seit Beginn des neuen Jahrhunderts haben die Telekommunikationsanbieter den Zugang an die Spitze der Wertschöpfungskette gestellt. Jetzt wird dieser Ansatz in Frage gestellt. Entsprechend alarmiert reagieren klassische DSL-Anbieter auf bandbreitenintensive Inhalte und Applikationen wie beispielsweise Spieleportale oder Videoplattformen, die ihr Geschäft zerstören und sie daran hindern, in Infrastruktur zu reinvestieren.
Wer solche Debatten ernsthaft führen will, muss differenzieren. Eine homogene Telekommunikationsindustrie gibt es nicht, sondern unterschiedliche Einsatzbereiche mit unterschiedlichen Anforderungsprofilen, die in vier konstituierende Geschäftsfelder aufgeteilt sind: Breitbandlösungen für Endkunden, Unternehmens-Services, Wholesale-Betreiber und Mobilfunk.