Dass Führungskräfte künftig Netzwerker sein müssen, ist nun klar. Doch warum empathische?
Lassen Sie mich dies an einem Beispiel erläutern. Ich merke bei meiner Arbeit als Managementberaterin immer wieder: Für manche Kunden arbeite ich gern, für andere weniger gern. Und das hat nichts mit dem Honorar zu tun, das sie mir zahlen, sondern damit: Wie ist die Kommunikation mit ihnen? Fühle ich mich von ihnen, obwohl ich eine externe Beraterin bin, als Person wahr- und ernstgenommen? Wie verbindlich sind Absprachen? Und, und, und….Stimmt die Chemie, dann erbringe ich für Kunden auch gerne gewisse Mehr-Leistungen, weil ich mich mit ihnen und ihren Zielen identifiziere. Ähnlich verhält es sich bei Dienstleistern, die für mich arbeiten. Habe ich bei ihnen das Gefühl, dass sie mich und meine Bedürfnisse verstehen, dann bin auch ich für ihre Bedürfnisse offener, was sich positiv auf die Zusammenarbeit und die Ergebnisse auswirkt, wodurch wiederum unsere Beziehung stabiler und tragfähiger wird. Dasselbe gilt für die Zusammenarbeit im Big-Business, sei es auf der Ebene Führungskraft-Mitarbeiter, Unternehmensbereich-Unternehmensbereich oder Unternehmen-Unternehmen. Wenn die Partner die Bedürfnisse des jeweils anderen wahrnehmen und respektieren und sich ernsthaft um die Beziehung bemühen, dann werden aus den ehemaligen Schnittstellen Nahtstellen, was letztlich zu Spitzenleistungen führt. Das setzt jedoch voraus, dass die Partner keine emotionalen Autisten sind, sondern ein Gespür für ihr Gegenüber haben.
Die Führungskräfte und Top-Manager von morgen müssen also auch emotional intelligent sein? Das ist doch nicht wirklich neu?
Das greift mir fast zu kurz. Zumindest würde ich dies anders formulieren.
Wie denn?
Ihre fachliche Kompetenz muss sich mit ihrer analytischen und emotionalen Intelligenz paaren, damit sie die größte Wirksamkeit haben.
Das klingt wiederum recht akademisch.
Deshalb verwenden wir in unserer Studie für diese »Symbiose« den Begriff »Alpha Intelligence«, da aus unserer Warte die Menschen, die künftig die echten Leader in den Unternehmen sind – also die Personen, denen andere Menschen bereitwillig folgen – ein solches Persönlichkeits- und Kompetenzprofil haben. Für das Gestalten der Kommunikation und Beziehung mit anderen Personen und Organisationen stehen den Führungskräften heute, also im digitalen Zeitalter, mehr Medien und Kanäle als früher zur Verfügung.
Aber das deutet doch darauf hin, dass Führungskräfte heute bereits empathische Netzwerker sind.
Ja, aber nur auf der rationalen Erkenntnisebene. Viele haben das hierfür nötige Denken noch nicht verinnerlicht. Also verhalten sie sich auch nicht so – speziell in virtuellen Teams.
Was veranlasst Sie zu diesem Schluss?
Unter anderem eine Diskrepanz im Antwortverhalten der jüngeren und älteren Führungskräfte in unserer Studie. So erachten es zum Beispiel 85 Prozent der jüngeren, aber nur 63 Prozent der älteren Führungskräfte als sehr wichtig, dass Informationen regelmäßig weitergegeben werden und nicht als Herrschaftswissen zurückgehalten werden. Zugleich erwarten aber nur 36 Prozent der jüngeren Führungskräfte, dass die digitale Vernetzung sozusagen automatisch zu einer transparenteren Mitarbeiterführung führt, während 60 Prozent der älteren Führungskräfte hiervon überzeugt sind.
Heißt das, die jüngeren Führungskräfte stehen der IT-Technik, wenn sie um das Thema Vernetzung und Integration geht, kritischer als ihre älteren Kollegen gegenüber?
Ja, ihnen ist stärker bewusst, dass allein dadurch, dass mehr Kommunikationskanäle zur Verfügung stehen, sich qualitativ noch nichts ändert, so lange kein mentaler Turn-around in den Köpfen ihrer Nutzer erfolgt.
Zum einen haben die jungen Führungskräfte, weil sie mit den neuen Technologien aufgewachsen sind, vermutlich ein feineres Gespür dafür, was deren Möglichkeiten, aber auch Grenzen sind, wenn es um die zwischenmenschliche Kommunikation geht. Eine weitere Ursache dürfte sein: Die jüngeren Führungskräfte sind in der Unternehmenshierarchie meist noch tiefer als ihre älteren Kollegen angesiedelt. Deshalb sammeln sie im Betriebsalltag häufiger die Erfahrung: Unsere Chef setzen uns zwar immer öfter ins cc, wenn sie irgendwelche Entscheidungen treffen und kommunizieren, sie binden uns aber nicht stärker in ihre Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse ein. Das heißt: Faktisch haben sie oft noch das alte Top-down-Denken verinnerlicht, selbst wenn sie glauben, bereits empathische Netzwerker zu sein.
Das Interview hat Journalist Bernhard Kuntz geführt.
Barbara Liebermeister leitet das Institut für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ), Frankfurt. Interessierte können kostenlos die Broschüre anfordern, in der die Studienergebnisse zusammengefasst sind (Internet: www.ifidz.de; Email: info@ifidz.de).