3D-Scanner und -Drucker rücken immer stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Die wenigsten Menschen können sich aber vorstellen, was mit 3D-Scannern bereits jetzt möglich ist und was die Zukunft bringt. Ein Einblick.
An Bord der Internationalen Raumstation ISS geht ein wichtiges Element einer Forschungsstation kaputt – und Ersatzteile befinden sich nicht an Bord. Mal eben schnell zur Erde fliegen oder Ersatz bei den Kollegen am Boden bestellen, ist leider nicht möglich. Früher wäre dies das Ende der Forschung gewesen, doch mittlerweile gibt es einen Ausweg: 3D-Scanner und -Drucker. Die Astronauten packen entsprechende Geräte aus, scannen das defekte Teil, entwickeln es eventuell zurück und drucken es anschließend aus – voilà, die Wissenschaftler können weiterforschen und ihre Experimente durchführen. Das Szenario lässt sich auch auf andere Bereiche ausweiten: Kreuzfahrtschiffe, auf denen wichtige Teile ausgetauscht werden müssen, entlegene Forschungsstationen in der Arktis, die von der Außenwelt abgeschnitten sind – und, und, und. Kurz: Wo früher keine Hilfe möglich war, freut sich die Menschheit heute über komplett neue Möglichkeiten und Auswege. Das Beispiel mit der ISS ist übrigens nicht weit hergeholt: Der 3D-Spezialist Artec 3D modifizierte einen seiner mobilen 3D-Scanner nach den Vorgaben der NASA für die Verwendung im Weltall. Im Hybrid Reality Lab der NASA werden 3D-Scans von Werkzeugen und anderer Ausrüstung, die die Astronauten ins Weltall mitnehmen, angefertigt.
Was heute schon möglich ist
Die Vorteile von 3D-Scannern beschränken sich aber nicht auf ferne Regionen und Galaxien, sondern sind längst im Hier und Jetzt mitten in der Gesellschaft angekommen. In der Medizin und im Reverse Engineering ist 3D-Technik nicht mehr wegzudenken, genauso wie beim Film, in der Denkmalpflege, Kunst oder Archäologie.
Auch immer mehr Endkonsumenten interessieren sich für die neue Technologie. Einige Smartphones lassen sich bereits mit ihrer Kamera als 3D-Scanner einsetzen. Das eröffnet völlig neue Möglichkeiten, zum Beispiel beim Online-Shopping: Fuß einscannen, dem Anbieter die Scandaten schicken – und wenig später den perfekt sitzenden Schuh erhalten. Kurios: Tragbare 3D-Scanner wurden jetzt schon verwendet, um präzise Proben von diversen Pilzarten einzuscannen. Daraus entstand der erste digitale 3D-Pilzkatalog der Welt, der Menschen davor schützen soll, versehentlich giftige Pilze zu sammeln und zu essen.
In der Möbelbranche kommen 3D-Scanner zum Beispiel bei der Gestaltung von Möbelkatalogen und -werbeanzeigen zum Einsatz. Diese werden nicht mehr mithilfe von Fotos, sondern auf Basis von detailgetreuen 3D-Modellen erstellt. Laut einer Umfrage von über 1.000 US-Verbrauchern zum Einsatz von Virtual- und Augmented-Reality-Technologien im Einzelhandel, würden fast 50 Prozent der Befragten beim Online-Shoppen das interaktive 3D-Modell eines Produkts hilfreicher finden als Bilder. Von allen Kategorien birgt der Einrichtungsbereich das größte Potenzial: 38,3 Prozent halten den Einsatz von AR und VR für große Möbel und Dekogegenstände für nützlich. Denn besonders bei Möbeln verzichtet über ein Viertel der Studienteilnehmer sonst auf einen Online-Einkauf, da die Beschaffenheit auf einem einfachen Foto nicht richtig erkennbar ist. Ein virtuelles 3D-Modell hingegen kann gedreht, gewendet und von allen Seiten betrachtet werden. Durch Heranzoomen lässt sich zudem die Qualität der Materialien genauer überprüfen – von Furchen im Holz bis zu Nähten oder der Fadenzahl in Stoffen. Auf folgender Seite können Interessierte ein 3D-Modell eines Sessels, aber auch anderer Objekte wie Pilze, ansehen.
Eine weitere wichtige Rolle spielen 3D-Scanner für die Qualitätssicherung in der Industrie: So werden die Flügel eines Flugzeuges erfasst und mit dem ursprünglichen 3D-Modell verglichen. Kleinste Risse oder sonstige Änderungen der Oberflächenbeschaffenheit werden auf diese Weise schnell entdeckt. Selbst das 3D-Druckgeschäft setzt auf die Qualitätskontrolle durch 3D-Scans: Die Anzahl der industriellen Metall- und Keramik-3D-Drucker ist sehr stark angestiegen. Der komplexe Erwärmungsprozess birgt das Risiko, dass die gedruckten Komponenten leicht verformt aus dem Drucker kommen. Eine Qualitätskontrolle ist nötig: 3D-Scanner überprüfen die Druckerzeugnisse, indem sie sie mit der Originaldatei vergleichen.
Nicht zu vergessen, der 3D-Einsatz in der Verpackungsindustrie: So erhielten Schokohasen dank 3D-Scan nicht nur eine perfekt sitzende, schön aussehende zweite Haut fürs Osterfest – die Hersteller sparen sich auch jede Menge Zeit und Geld, weil sie auf aufwendige händische Verfahren verzichten können. Oldtimer-Fans freuen sich ebenfalls über völlig neue Möglichkeiten: Mit den Scannern lässt sich der Ist-Zustand der alten Knaben dokumentieren, sie für die Nachwelt konservieren und Ersatzteile herstellen.