Auch wenn sich der initiale Hype um das Metaverse gelegt zu haben scheint und vieles noch weitgehend Zukunftsmusik ist, verfügen die Technologien Augmented und Virtual Reality heute schon über ein enormes Potenzial. Wie und wo Unternehmen diese schon heute für sich nutzen können.
Der Artikel liefert unter anderem Antworten auf folgende Fragen:
Gestern saßen alle Mitarbeiter noch gemeinsam im selben Büro, morgen schon sollen sie alle gemeinsam im Metaverse arbeiten – so fühlt es sich zumindest ein wenig an, angesichts der hohen Geschwindigkeit, mit der sich die Arbeitswelt gerade wandelt. Denn auch wenn in Wahrheit wohl noch einige Jahre vergehen werden, bis wir tatsächlich regelmäßig im Metaverse zum Arbeiten zusammenkommen, haben die letzten drei Jahre doch gezeigt, dass manche Entwicklungen schneller voranschreiten als gedacht.
Dabei muss man natürlich festhalten, dass die Covid-19-Pandemie ein außergewöhnliches Ereignis war und viele Unternehmen infolgedessen zu Veränderungen gezwungen waren, die sie so (noch) nicht geplant hatten. So bestätigen etwa in einer Studie von Endava1 unter deutschen Führungskräften fast neun von zehn Befragten (87 Prozent), dass sie schnell handeln mussten, um die Einführung digitaler Lösungen zu beschleunigen. Die Pandemie hat nicht nur Probleme und Schwachstellen in ihrer vorhandenen Technologie schonungslos offengelegt, sondern auch deutlich gemacht, wo noch grundsätzliche Lücken bei Hard- und Software bestanden.
Das betraf etwa Organisationen, deren Mitarbeiter noch mit herkömmlichen Desktop-PCs arbeiteten, die sich nicht ohne Weiteres mit ins Homeoffice nehmen ließen. Oder Unternehmen, die keine Lösungen für die digitale Zusammenarbeit implementiert hatten. Wenn alle Mitarbeiter bislang gemeinsam in einem Büro saßen, gab es bei manchen womöglich bis zur Pandemie nicht mal eine Chatsoftware. Und natürlich mussten Unternehmen auch Wege finden, ihre Produkte und Dienstleistungen für Kunden unter den neuen Voraussetzungen weiterhin anzubieten. Deutlich mehr als ein Drittel der Befragten (38 Prozent) sah es sogar als notwendig an, den Technologiebestand ihrer Organisation grundlegend zu überholen.
Die gute Nachricht: Es ist ihnen gelungen, ihren Rückstand aufzuholen. 94 Prozent schätzen die Leistung ihres Unternehmens bei der Einführung digitaler Technologien als „gut“ oder sogar „exzellent“ ein. Beigetragen hat dazu auch eine neue Vorgehensweise bei der Implementierung. In der in der Vergangenheit waren Digitalisierungsprojekte oft dadurch gekennzeichnet, dass sie hohe Investitionen erforderten, tiefgreifende Veränderungen mit sich brachten und sich über Monate, wenn nicht Jahre zogen. Während der Pandemie haben sich jedoch die Bedingungen geändert, es war vor allem Schnelligkeit gefragt.
Dementsprechend haben Organisationen begonnen – oft ohne dies als bewusste Entscheidung zu treffen – agil und iterativ vorzugehen: Sie haben Lösungen einfach eingekauft, implementiert und ausprobiert. Funktionierte die Lösung zumindest irgendwie, wurde sie kontinuierlich weiter verbessert und auf die Bedürfnisse von Mitarbeitern oder Kunden zugeschnitten, zum Beispiel in Form neuer Funktionalitäten. Erfüllte sie dagegen nicht ihren Zweck, wurde sie nach kurzer Testphase wieder verworfen und eine andere ausprobiert. Dieser Digitalisierungsansatz birgt mehrere Vorteile gegenüber dem früheren: vor allem mehr Flexibilität und Geschwindigkeit, geringere initiale Kosten sowie im Endergebnis eine Lösung, die passgenau ihren Aufgaben gerecht wird.
Und auch wenn inzwischen nicht mehr dieselbe Dringlichkeit wie zur Hochphase der Pandemie gegeben ist, sollten Unternehmen diesen agilen, iterativen Ansatz beibehalten, wenn sie neue Technologien einführen wollen. Er bietet sich beispielsweise bei Augmented- und Virtual-Reality-Projekten an.
Wer sich bislang kaum mit AR und VR beschäftigt hat, wird die Technologien wahrscheinlich vor allem im Consumer-Bereich verorten. Nicht zu Unrecht, denn der Umsatz von VR-Games etwa weist eine steigende Tendenz auf, während AR beim Online-Shopping, etwa von Kleidung, Accessoires oder Make-up, aber auch Möbeln und anderen Einrichtungsgegenständen, immer mehr Anwendung findet. Doch es gibt noch zahlreiche weitere Use Cases, von denen Unternehmen aller Branchen profitieren können.
Dafür sollten sie zunächst überlegen, an welcher Stelle AR oder VR tatsächlich einen Mehrwert bieten würden. Dabei sollten sie ein Grundprinzip des agilen, iterativen Ansatzes nicht vergessen: klein anfangen und schrittweise vorgehen. Wer sich beispielsweise vornimmt, als erstes seine komplette Fertigung digital nachzustellen, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit scheitern. Wichtig ist auch, den kompletten Kontext des Projekts zu verstehen – welche Nutzer mit welchen Bedürfnissen sind betroffen, welche Prozesse und Systeme?
Erwartungsmanagement spielt dabei ebenfalls eine Rolle: AR- und VR-Projekte werden in der Regel nicht von Anfang an perfekt funktionieren, sondern müssen nach und nach verfeinert und optimiert werden. Dafür können Misserfolge und Fehler sogar hilfreich sein, weil sie Schwachpunkte aufzeigen oder zu kreativen Lösungen führen. Nicht nur die späteren Nutzer, sondern auch die Unternehmensverantwortlichen sollten sich dieser notwendigen Entwicklung bewusst sein, damit das Projekt als scheinbarer Fehlschlag nicht frühzeitig wieder aufgegeben wird.
Training
Die beiden Technologien bieten sich in zweierlei Hinsicht für Trainings an. Zum einen können Mitarbeiter realistische Szenarien durchspielen, die beispielsweise im Kundenkontakt auftreten können. Der Einzelhandelskonzern Walmart schult seine Angestellten beispielsweise schon seit Jahren mithilfe von VR-Headsets. Auch im HR-Bereich lassen sich so sensible oder kritische Gespräche trainieren, damit Personaler auf den Ernstfall vorbereitet sind. Zum anderen lässt sich die Handhabung von Maschinen – ob Industrieanlage oder Flugzeug – in virtuellen Umgebungen üben. Und das gilt für neue Mitarbeiter ebenso wie für langjährige Angestellte, die ihr Wissen wiederauffrischen müssen.
Showrooms
Das Messegeschäft ist zwar wieder angelaufen, doch virtuelle Showrooms haben weiterhin große Vorteile. Man kann sie problemlos Kunden in aller Welt zeigen, auch wenn man selbst nicht vor Ort ist, und sie jederzeit flexibel anpassen, um etwa neue Produkte zu integrieren. Zudem können die gezeigten Produkte interaktiv gestaltet werden und die Möglichkeit bieten, Modifizierungen vorzunehmen. Im Falle eines Autos könnten Nutzer im virtuellen Showroom beispielsweise die Außenlackierung oder das Interieur ihren Wünschen entsprechend anpassen.
Darüber hinaus gibt es natürlich noch viele weitere Anwendungsfälle. Doch diese beiden bieten sich als erstes an, weil Unternehmen sich in diesen Bereichen leicht an kleineren Projekten ausprobieren und dazu lernen können. Gelingt dies, lässt sich der Einsatz von AR und VR nach und nach auch in anderen Bereichen ausrollen.