Die Digitalisierung nimmt mittlerweile Einfluss auf alle Branchen. Deshalb beantworten Digitalpioniere aus dem Jahr 2021 die Frage „Wo und in welcher Form haben digitale Technologien in Ihrer Branche bisher für die größten Veränderungen / den größten Impact gesorgt?“
Henry Widera: Ernst Reuter war der Wegbereiter zur Gründung der Berliner Verkehrsbetriebe 1929. Die Idee war einfach wie genial: Mit nur einem Ticket sollten alle öffentlichen Verkehrsmittel in Berlin nutzbar sein. Das Smartphone bringt diese Idee ins 21. Jahrhundert und wird zum Generalschlüssel in der Hosentasche: Ein Rad oder Scooter für kurze Wege, ein Moped ins Grüne, ein Auto für Transporte, ein Taxi oder „BerlKönig“ abends nach Hause. Und als Grundlage und Mobilitätsgarant natürlich Busse und Bahnen quer durch die Stadt. Wer braucht bei dieser Auswahl noch ein eigenes Auto, wenn man für jeden Weg das passende Verkehrsmittel hat? Mit der Jelbi-App werden alle Mobilitätsangebote in einer App gebündelt. Alles direkt vergleichen, buchen und bezahlen, ganz ohne Schlüsselübergabe. 45.000 Fahrzeuge sind bereits in der Jelbi-App in Berlin buchbar.
Eva Maria Welskop-Deffaa: Sozial braucht digital. Wohlfahrtsverbände erreichen durch digitale Angebote mehr Menschen. Die Möglichkeit, sich online, ortsunabhängig und anonym beraten zu lassen, die die Caritas mit der Online-Beratung geschaffen hat, ist ein Riesenfortschritt für all jene, die keine analoge Beratungsstelle um die Ecke haben oder für die die Hemmschwelle zu groß ist – denken wir an suizidgefährdete Menschen. Die Caritas stellt die Technologie ihrer Online-Beratung Open Source zur Verfügung – das gehört zu unserem Verständnis von „Gemeinnützigkeit“. Im Bereich Pflege sind Robotik und Telematik wirkliche Game-Changer – allerdings sind die technologischen Entwicklungen in diesem Bereich noch zu oft „im Labor“ entwickelt, beziehen zu spät die Bedürfnisse der Pflegenden und der zu Pflegenden ein. Wir sind als Caritas Partner im Mehrjahresprojekt „BeBeRobot“, das das BMBF fördert, um diesen Perspektivwechsel zu befördern.
Susanne Hügel: Die Immobilienwirtschaft ist sehr informations-, daten- und prozessgetrieben. Daten werden zwar in verschiedenen Systemen erfasst, aufbereitet und verwendet, allerdings oft isoliert. Es zählt der jeweilige Prozessabschnitt, nicht die grundsätzliche Bereitstellung der Daten für eine ganzheitliche Betrachtungsweise. Das Property Management ist ein Beispiel für die Fragmentierung, da hier viele Bereiche zusammenlaufen: Ticketing Services, Handwerkermanagement, Mietvertragsmanagement, (Energie-)Verbrauchsmessung – um nur einige wichtige zu nennen. Die zunehmenden ESG-Anforderungen treiben eine bemerkbare Veränderung: Integrierte Systemlandschaften, Schnittstellen und ein besserer Informationsfluss werden wichtiger. Denn ein ganzheitlicher Überblick über die Daten ist entscheidend für ein ESG-konformes Management. „You can only manage what you measure“ – ohne Daten und Digitalisierung wird es die Immobilienwirtschaft beim Erreichen der Nachhaltigkeitsziele schwer haben.