Kann es sein, dass wir mittlerweile länger und differenzierter darüber nachdenken, wie ein Prompt für eine KI wie ChatGPT zu formulieren ist, als über eine E-Mail an einen Menschen?
Mal ein paar Fragen: Wie lange brauchen Sie, um per Mail ein To do „zu übergeben“? Sieben Sätze? Fünf Wörter? Oder doch nur zwei? Diese hier zum Beispiel: „Übernimmst du?“ – und im Schlepptau wird einfach noch der komplette Mailverlauf der letzten drei Monate drangehängt. Da steht ja alles drin. Soll sich der andere das doch zusammensuchen, wozu man selbst einst zwei Stunden gebraucht hatte.
Und jetzt eine ganz andere Frage: Wann haben Sie den letzten Prompt für eine KI geschrieben? Vor einer Woche, gestern, vor einer Stunde? Sehr gut.
Nächste Frage: Wie viele Überlegungen, respektive Anläufe, waren nötig, um eine brauchbare Antwort von der KI zu erhalten? Eine gute kleine Weile, respektive zwei bis drei Anläufe?
Und wie lang war die Anfrage? Zwei Wörter oder doch eher zwei Sätze? Nein, halt: Ich frage mal direkt Chat-GPT, die KI müsste ja am besten wissen, in welcher Prompt-Länge sie regelmäßig um Hilfe gebeten wird.
Wie der kleine Dialog rechts mit ChatGPT ergibt: Es sind etwa 50 bis 100 Wörter pro Prompt. Aha. Zusammengefasst lässt sich also feststellen: Prompts sind locker zehn Mal länger als so manche E-Mail.
Nächster Punkt: Um von ChatGPT keinen Blödsinn zu bekommen, sind noch zwei wichtige Anweisungen – Achtung! – an den promptenden Menschen wichtig: Einerseits sollte er den Prompt klar und präzise formulieren, andererseits sollte er im Prompt Kontext geben. Das mit dem Kontext ist wichtig, damit die KI versteht, um was es geht und was von ihr erwartet wird.
Nun, so manch ein menschlicher Adressat, der eine kryptisch formulierte Handlungsanweisung wie „Übernimmst du?“ erhält, wäre wohl auch froh, wenn er wüsste, worum es genau geht und was von ihm oder ihr konkret erwartet wird.
Kann es wirklich sein, dass wir im 21. Jahrhundert mit einer KI mitunter feinsinniger kommunizieren als mit Mitmenschen? Hoffentlich nicht.
So oder so: Bei wem die Qualität des selbstgeschriebenen Prompts bei Weitem die einer selbstgeschriebenen E-Mail übersteigt, der sollte seine Kommunikation mit natürlichen Intelligenzen – also mit anderen Menschen – doch mal auf den Prüfstand stellen. Auch hier kann übrigens eine Anfrage bei der KI weiterhelfen: Eine Übergabe-Mail zu einem komplexen Geschäftsvorgang sollte laut ChatGPT Auskunft geben zum Hintergrund, bisherigen Schritten und aktuellem Stand. Zu Ansprechpartnern, Fristen und Terminen. Und auch eine Auswahl relevanter E-Mails ist hilfreich – aber nicht etwa alle jemals zu dieser Sache geschriebenen.
Zum Schluss noch ein paar Daten zu dem Thema: In der Studie „2024 State of Business Communication in Germany“ von Statista und Grammarly wurden 1.100 deutsche Beschäftigte befragt. Davon gaben 44 Prozent der Befragten an, dass sie regelmäßig unklare Nachrichten erhalten. Diese würden dann zu Nachfragen und mitunter zu längeren Kommunikationsketten führen. Eine unklare Nachricht brauche somit oftmals etliche weitere Mails, um die ursprüngliche Nachricht zu klären. 36 Prozent gaben darüber hinaus zu, dass sie regelmäßig ihre eigenen Nachrichten im Nachhinein klarer formulieren müssen, um Missverständnisse zu vermeiden. Zwei Drittel der Befragten verlieren wöchentlich bis zu zwei Stunden Arbeitszeit aufgrund ineffektiver Kommunikation, was Unternehmen laut Studie jährlich 11,5 Arbeitstage pro betroffenem Mitarbeiter kostet.
In diesem Sinne: Bringen wir uns gegenseitig (wieder) vernünftig auf Stand, teilen wir uns anderen so mit, dass sie besser nachvollziehen können, was wir meinen. Verstehen wir einander einfach wieder ein bisschen besser. Dafür braucht es auch mal ein paar Sätze mehr. Ziel sollte immer sein: Mit Worten genau das zu sagen, was man sagen wollte. Wenn wir diese Fähigkeit mit dem Formulieren von Prompts (wieder) schulen, sei’s drum. Aber verrückt ist das schon.