Gaia-X

Ist der Traum einer europäischen Dateninfrastruktur ausgeträumt?

13. Mai 2022, 17:08 Uhr | Stefan Adelmann

Fortsetzung des Artikels von Teil 2

„Keine Sogwirkung“

Das mit Scaleway eines der Gründungsmitglieder aus dem Projekt ausgestiegen ist und es obendrein so offen kritisiert, ist ein herber Rückschlag für Gaia-X. Rainer Sträter von Ionos bekräftigt aber auf die Frage nach etwaigen Effekten der Entscheidung, dass der Rückzug des französischen Cloud-Anbieters für Gaia-X als Projekt keine negativen Auswirkungen habe und auch keine Sogwirkung mit Blick auf andere Mitglieder entfache. Noch scheint Gaia-X also, wenn auch unter Turbulenzen, in der Spur zu bleiben. Sträter entgegnet der Kritik von Lechelle ganz im Gegenteil, dass er es für durchaus sinnvoll halte, dass auch außereuropäische Unternehmen involviert sind (mehr im Interview mit Rainer Sträter von Ionos).

Hierzulande ziehen aber schon weitere dunkle Wolken am Horizont auf. Nachdem das Bundeswirtschaftsministerium den elf Leuchtturmprojekten im vergangenen Februar Fördermittel zugesagt hatte, sieht es für fünf weitere Projekte hingegen weit weniger erfreulich aus. Ihre geplanten Fördermittel stehen im Bundeshaushalt 2022 nicht mehr zur Verfügung. Laut einem Bericht der „Wirtschaftswoche“ handelt es sich um eine Folge des Ukrainekriegs und der damit verbundenen Mehrausgaben an anderer Stelle. Erste Projekte müssen also bereits um die zuvor zugesicherte Unterstützung der öffentlichen Hand bangen, die involvierten Unternehmen üben teils scharfe Kritik und sehen gar die Digitalisierung in Deutschland ausgebremst.

„Die große Unbekannte“

Noch hat Gaia-X mit zahlreichen bürokratischen und strukturellen Hürden zu kämpfen, zudem sind nach über zwei Jahren noch keine konkreten Produkte aus dem gemeinsamen Vorhaben hervorgegangen. Sträter hofft allerdings, dass die Leuchtturmprojekte im kommenden Herbst erste Ergebnisse vorweisen können. Es wäre ein wichtiger Schritt, auch, um Gaia-X im Markt grundsätzlich bekannter zu machen. So ist das Konzept laut einer Einschätzung des Bitkom aus dem vergangenen Jahr nach wie vor eine „große Unbekannte“. Eine Umfrage des Branchenverbandes im Industriesektor zeigt demnach, dass zum damaligen Zeitpunkt lediglich jedes dritte Unternehmen von Gaia-X gehört hatte. Ähnlich viele Befragte kannten das Projekt hingegen überhaupt nicht. Und auch bezüglich der Bewertung des Potenzials war die Industrie gespalten: Ein Drittel der Unternehmen sieht Gaia-X laut der Umfrage zwar als gute Ergänzung zu bisher genutzten Angeboten, 26 Prozent gehen sogar davon aus, dass damit ganz neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnet werden. Umgekehrt halten aber 28 Prozent Gaia-X für irrelevant für das eigene Geschäftsmodell, elf Prozent sehen keinen Bedarf an einer solchen Infrastruktur und fünf Prozent fühlen sich durch Gaia-X sogar in ihrem aktuellen Geschäftsmodell bedroht. Bis heute dürfte sich an diesen Zahlen nur wenig geändert haben.

Mehrwerte schaffen

Aber trotz aller Hürden: Projekte wie das im März vorgestellte „Marispace-X“ zeigen sehr plastisch die Potenziale von Gaia-X auf. Das von Ionos geleitete Projekt-Konsortium will gemeinsam maritime Geodaten nutzbar machen und auf ihrer Basis weitere digitale Geschäftsmodelle ermöglichen. Marispace-X soll neue Systeme für das „Internet of Underwater Things“ entwickeln und Hemmnisse zwischen Stakeholdern lösen, damit aus „kostspieligen Datensammlungen ökonomische Mehrwerte entstehen“. Die Initiatoren sehen unter anderem das Potenzial, den Klimawandel zu bremsen, digitale Chancen für die Windkraft auszuloten und zudem alte Munition aus dem Ozean zu räumen.

Gaia-X muss in diesem wie auch in anderen Fällen als technischer Grundstein betrachtet werden, auf dem die Wirtschaft aufbauen kann – nicht etwa als fertige Lösung. „Marispace-X ist ein Paradebeispiel, was mit Gaia-X gelingen kann. Hochinnovative Ideen kommen über enge Kooperation auf Basis gemeinsamer Standards zustande. So können europäische Unternehmen datengetriebene Geschäftsmodelle entwickeln, die wir sonst nur aus den USA oder Asien kennen“, unterstreicht Martin Endreß, Chief Customer Officer bei Ionos. Es sind komplexe Projekte, die eine aufwendige Abstimmung zwischen vielen involvierten Unternehmen erfordern – gleichzeitig aber auch ihr Know-how gewinnbringend bündeln. Sie zeigen, wo die Stärken der Idee Gaia-X liegen und dass der Traum einer europäischen Dateninfrastruktur trotz aller Rückschläge längst nicht ausgeträumt sein muss.

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