Künstliche Intelligenz

Kein Neuer Mensch

9. September 2021, 9:12 Uhr | Martin Fryba

Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Bis dass nicht einmal der Tod uns scheide?

Julian Nida-Rümelin, Philosoph und Mitglied im Deutschen Ethikrat: „Starke KI ist in all ihren Varianten eine Form des Anti-Humanismus“.  
© Corinne Korda

Es ist vor allem diese auf Robotik abhebende Spielart, die schon immer Science Fiktion-Autoren angeregt hat. Und nicht nur die. Es gibt auch im ganz realen Leben Menschen, die das neuronale Weiterleben ihres Gehirns in einem wie auch immer in Zukunft entwickelten Mensch-Maschinekörper als Sieg über den biologischen Tod für möglich halten - mit einer weiterentwickelten KI in vielleicht 50 oder 100 Jahren. Sie glauben an eine Art Unsterblichkeit neuronaler Netze aus menschlichem Gewebe und lassen daher ihr Gehirn nach dem Tod in Stahlcontainern bei minus 196 Grad Celsius einfrieren. Bis dass nicht einmal der Tod uns scheide?

Es sind Mitglieder der US-Stiftung Alcor Life Extension. Der Name ist Programm und steht für Vertreter einer starken KI, für die es keinen kategorialen Unterschied zwischen menschlichem Denken und Computerprozessen gibt. Solche „Transhumanisten“ glauben gar, dass starke KI das Ideal der universellen, vollständig determinierten Maschine als Erklärungsmuster der Welt und des Menschen hervorbringen könne, sagt Julian Nida-Rümelin, Philosoph und Mitglied im Deutschen Ethikrat.  Der warnt vor Grenzüberschreitungen: „Starke KI ist in all ihren Varianten eine Form des Anti-Humanismus“, so der Münchner Wissenschaftler. „Sie negiert sowohl die menschliche Vernunft – und damit auch die Fähigkeit, sich von Gründen leiten zu lassen – als auch die Rolle subjektiver Zustände in einem Teil der belebten Natur“, so Nida-Rümelin und Co-Autorin Nathalie Weidenfeld in ihrem Buch „Digitaler Humanismus“ (Rezension bei ICT CHANNEL)

Praxis sieht viel unspektakulärer aus
Schickt man KI vom 100. Stockwerk ins Erdgeschoss und blickt auf die Praxis, so hat diese Technologie zumindest in Deutschland (noch) nicht viel mit Cyborgs oder gar Frankenstein zu tun. Sondern mit Software und Algorithmen, mit Data Scientists, die Geschäftsprozesse analysieren, beraten oder programmieren und die sich hardwareseitige mit hoch performanten Rechnern beschäftigen. KI ist seit längerem schon Basistechnologie und eröffne laut Berg eine Vielzahl neuer Möglichkeiten. Beispiele nach der von Bitkom festgestellten Häufigkeit: Personalisierte Werbung, Verbesserung interner Prozesse in Produktion und Instandhaltung, Kundendienst (automatisierte Beantwortung von Fragen) und Analyse der Kunden im Vertrieb, Textproduktion aus standardisieren Vorlagen wie Bilanzen oder Produktblättern, Übersetzung (Deepl.com), Optimierungen und Automatisierung in Buchhaltung, Leitungsebenen, IT oder Logistik.

So breit die Sektoren der Wirtschaft und die Größe von Unternehmen sind: Tools mit KI-Funktionalität, oft mit Hilfe von Robotic Process Automation (RPA), kommen überall zum Einsatz. RPA ist der nächste Hype in der an Hypes reichen IT-Branche. Grundsätzlich gilt beim KI-Einsatz: Je mehr Daten vorhanden und miteinander verknüpft werden können und dürfen, umso besser.

Note 5 im Fach Zukunftstechnologie
Von der Politik fordert der Bitkom Klarheit und Rechtssicherheit. „Unsicherheit und langwierige Abstimmungsprozesse würden dringend notwendige Investitionen verzögern und verhindern“, warnt Berg. Die noch gute Ausgangslage Deutschlands bei KI droht in den Augen vieler Unternehmen indes verspielt zu werden. Immer weniger Firmen (nur noch jede vierte) meinen, die KI-Strategie der Bundesregierung reiche aus, um Wirtschaft und Gesellschaft auf KI vorzubereiten. Vor einem Jahr lag die Zustimmung noch bei 38 Prozent, so der Bitkom in einer Umfrage zu Jahresbeginn 2021. Der Optimismus ist rapide verpufft und im Zeugnis für diese Koalitionsregierung im Fach Weichenstellung für KI „Made in Germany“ steht die Note mangelhaft.

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