Gerber wechselt in die ERP-Softwarebranche just in einer Phase neuerlichen Aufbruchs. Der Platz für die rund 500 Hersteller in diesem fragmentierten Anbietermarkt wird zunehmend eng. Es gibt Unternehmer und nicht wenige ihrer Partner, die glauben, dass Lizenz- und Wartungseinnahmen aus einer stattlich gewachsenen installierten Basis bis zu ihrem Ruhestand reichen würden. Gerber gehört schon deswegen nicht dazu, weil der 49-Jährige auf die Frage nach seiner Work-Life-Balance wie aus der Pistole geschossen antwortet: »Ich bin ein Workaholic und arbeite sehr gerne«. Seine beiden Vorstandskollegen bei der Step Ahead Group, Wolfgang Reichenbach und Guido Grotz, werden ihn nicht bremsen können und wollen. Denn die beiden 52-Jährigen zünden gerade die zweite Raketenstufe ihres Unternehmertums, nach der Gründung des ERP-Hersteller Step Ahead vor 21 Jahren.
Dieses Mal zwar formal als Angestellte der Holding, die der Berliner Elvaston Capital Management gehört. An diesen VC hatten sie Ende 2019 die Mehrheit ihrer Step Ahead-Anteile verkauft - wie die Gründer von Godesys und Informing auch. Aber der Investor will, dass Reichenbach und Grotz die neue Holding wie Unternehmer führen. Eine Strategie, die dieser Investor mit Anlageschwerpunkt auf mittelständische ERP-Hersteller favorisiert und Geld für weitere Akquisitionen der Holding bereitstellen will. Aber auch die Kasse der Step Ahead sei gut gefüllt, sagt Reichenbach.
Namen nennt er freilich keine, aber weitere Übernahmekandidaten hat der für die M&A-Aktivitäten zuständig Reichenbach bereits sondiert. »Wir wollen zu den Konsolidierern im Markt gehören, nicht zu den Konsolidierten«, gibt er die Richtung vor. Die Ziele sind durchaus sportlich: 100 Millionen Euro Umsatz sollen es mittelfristig werden – mehr als eine Verdreifachung. Gemeinsam kommt die Step Ahead Group auf 1.800 Kunden und 65.000 Nutzer in DACH. Mit 230 Mitarbeitern erzielen die drei ERP-Spezialisten aktuell einen Jahresumsatz von über 30 Millionen Euro. Organisch wolle man »signifikant zweistellig wachsen«, sagt Reichenbach gegenüber CRN. »Unser Ziel ist es, unter die Top-3 Hersteller im deutschsprachigen Europa zu kommen«.
Wir-Gefühl stärken
Dass längst nicht alle Wettbewerber die hohen Entwicklungskosten für eine cloud-basierte Modernisierung ihrer ERP-Systeme sowie Investitionen in einen Partnerkanal stemmen könnten, werde den Druck zur Konsolidierung erhöhen, ist sich Guido Grotz sicher. Bevor die Holding weitere Hersteller übernimmt, muss der Manager allerdings den Bogen über alle drei etablierten ERP-Systeme unter dem Step Ahead-Dach spannen und die Produkte optimieren. Und er will das »Wir-Gefühl« in der neuen ERP-Troika stärken. Trotz der noch kurzen Zeit seit der Fusionsbekanntgabe will Grotz hier schon eine positive Stimmung unter den ERP-Konföderierten ausgemacht haben. »Es ist erstaunlich, wie schnell aus Wettbewerbern Freunde werden«.