LANline: Was heißt das grundsätzlich für die Standortwahl?
Jacobshagen: Das Thema Standortwahl wird sich, zumindest in Teilen, durch technologische Vorgaben selbst regeln. Durch immer weiter steigende Latenzanforderungen brauchen wir mehr dezentrale Rechenzentren und Interconnection-Infrastruktur in der Fläche. Auch Daten können sich maximal mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Um beispielsweise die Anforderungen von Virtual Reality zu erfüllen, bleibt den Unternehmen gar nichts anderes übrig, als die Daten näher zum Endkunden zu bringen, also dezentraler zu hosten.
LANline: Nehmen Sie dies auch in Ihren regionalen Knoten wahr?
Jacobshagen: Allerdings. Was wir heute bereits sehen, ist ein stetiges Wachstum bei unseren regionalen Internetknoten in Deutschland: Hamburg, Düsseldorf, München, unser Partner in Berlin BCIX und seit letztem Jahr der Ruhr-CIX. Einerseits haben regional agierende Player von der Wirtschaftsförderung über City-Carrier bis hin zu lokalen Rechenzentren erkannt, dass sie ihren Kunden einen direkten Zugang zum Herzen des Internets in Frankfurt ermöglichen müssen. Das wird in Zukunft ein unschätzbarer Standortfaktor sein. Andererseits steigt wie bereits erwähnt auch der Bedarf nach einem regionalen Datenaustausch. Schließlich sitzen viele der Hidden Champions und ihre Zulieferer und Partner nicht in Frankfurt, sondern oft direkt in einer Region, sodass eine Zusammenschaltung ihrer Netze vor Ort mehr Sinn ergibt.
LANline: Das hat auch wiederum Konsequenzen für Ihr Angebot …
Jacobshagen: Das stimmt, unter anderem für solche regionalen Vernetzungen mit einem Internet Exchange direkt vor Ort haben wir unser DE-CIX-as-a-Service-Programm entwickelt. Dabei helfen wir regionalen Rechenzentrumsbetreibern, einen
eigenen Internetknoten aufzubauen, übernehmen den kompletten Betrieb und unterstützen beim Marketing.
LANline: In manchen Branchen und Anwendungsszenarien hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass sich Daten besser als Strom transportieren lassen. Wie wird dies die Datacenter-Branche beeinflussen?
Jacobshagen: Wie ich schon beschrieben habe, sehen wir einen beginnenden Trend zur Regionalisierung in der Rechenzentrumsbranche. Somit ist die Standortwahl wichtiger denn je. Aber auch die Vernetzung muss näher zu den Rechenzentren kommen, entweder mit regionalen Internetknotenpunkten oder dem Anschluss an einen existierenden Knoten als sogenannte „Enabled Site“. So müssen die Daten nicht den Umweg über das öffentliche Internet nehmen und gelangen direkt ans Ziel, und zwar unabhängig davon, ob in der Region oder zu einem Cloud-Anbieter, zum Beispiel am Hub in Frankfurt. Das Ziel ist es, auch Daten so lange wie möglich in der Region direkt und effizient auszutauschen.
LANline: Ein wichtiger Punkt ist derzeit der Ressourceneinsatz. Was unternimmt DE-CIX in diesem Bereich konkret?
Jacobshagen: Wir sind uns als Betreiber einer für die digitale Kommunikation kritischen Infrastruktur auch in Sachen Ökobilanz unserer Verantwortung bewusst. Im Rahmen unserer weltweiten Tätigkeiten versuchen wir seit unserer Gründung vor über 25 Jahren, das Thema Effizienz nach vorne zu treiben. Dazu gehört an erster Stelle der Einsatz der jeweils aktuellsten Hardware, die zur Steigerung der Energieeffizienz beiträgt. Darüber hinaus werden durch die zunehmende und immer schneller werdende Vernetzung erst der effiziente Einsatz von Energie, die Steuerung der Nutzung von Energie, sowie die effiziente Vernetzung von Geräten im Sinne der Automatisierung möglich. Außerdem gibt es in der Stromerzeugung durch Solar- und Windenergie Tendenzen zur Regionalisierung, was mit dem Trend in der Rechenzentrumsbranche einhergeht. Damit wäre die Kopplung von lokaler erneuerbarer Energieerzeugung mit dezentralen Rechenzentren sicher ein zukunftsweisendes Konzept.
LANline: Das gelingt im Zusammenspiel meist besser …
Jacobshagen: Auch das stimmt. Wir sind als Mieter von Flächen innerhalb der Rechenzentren von den infrastrukturellen Gegebenheiten dort auch in Sachen Ökologie abhängig. Die Unterstützung unserer Datacenter-Partner beim Vorantreiben ökologischer Themen, wie beispielsweise Abwärmenutzung, ist für uns dabei selbstverständlich. Hier sehen wir in Zukunft ein sehr großes Potenzial.
LANline: Frau Jacobshagen, herzlichen Dank für das interessante Gespräch.